Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
Das Mädchen hatte keinen Papa mehr, und es verstand gar nicht, wieso sich ihre Mutter so schnell in den König hatte verlieben können. Es fühlte sich die ganze Zeit fremd und einsam und wäre am allerliebsten wieder mit ihrer Mutter allein gewesen. Aber dafür brauchte das Mädchen Geld, viel Geld. Da tauchte plötzlich ein Mann auf.»
«Wie sah der Mann aus?»
«Der Mann war groß und schlank und hatte blonde Haare. Auf den ersten Blick sah er nett aus.»
«Wie ein Prinz.»
«Wie ein Prinz. Das Mädchen dachte zuerst auch, er sei ein Prinz, und hat sich in ihn verliebt. Aber der Mann war kein Prinz, er war böse, sehr, sehr böse. Und er wollte auch nicht das Mädchen haben, sondern die kleine Prinzessin. Er sagte zu dem Mädchen: ‹Wenn du mir die Prinzessin bringst, dann gebe ich dir viel Geld.› Das Mädchen wusste aber nicht, was der Mann mit der Prinzessin vorhatte. Es dachte ja die ganze Zeit, er wäre ein Prinz.»
«Und war verliebt.»
«Sehr verliebt. Der Mann nahm die Prinzessin mit zu sich nach Hause, er wollte sie für immer bei sich behalten. Aber in letzter Minute begriff das Mädchen, dass der Mann böse war, und wollte die Prinzessin befreien und zu ihrem Vater, dem König, zurückbringen. Sie brach in sein Haus ein, darüber war der Mann sehr verärgert, und natürlich wollte er die Prinzessin nicht gehen lassen. Doch das Mädchen war schlau. Als die Prinzessin auf die Toilette musste, öffnete sie das Fenster und sagte der Prinzessin, sie solle weglaufen, ganz weit weglaufen. Aber der böse Mann hatte der Prinzessin einen Schlaftrunk gegeben. Die Prinzessin lief und lief und lief und wurde mit jedem Schritt müder, bis sie an ein winzig kleines Häuschen kam. Sie kroch hinein und legte sich dort schlafen.»
«Wohnten da die Zwerge?»
«Ja, das Haus gehörte Zwergen, und denen hat es gar nicht gefallen, dass da ein fremdes Kind in ihrem Häuschen lag und schlief. Aber dann sahen sie die Krone auf dem Kopf des Kindes und wussten, dass es die Prinzessin war. Sie holten den König, und der König war überglücklich, dass er seine Tochter wiederhatte. Und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage.»
Martha klappte das Buch zu.
«Und was is mit dem Mädchen? Was hat der böse Mann mit dem Mädchen gemacht?» Poppy reißt die Augen auf. Dann boxt sie Martha mit ihren kleinen Fäusten auf die Brust. «Das Märchen ist noch nich zu Ende!»
Martha seufzt. «Als der böse Mann gemerkt hat, dass die Prinzessin fort war, ist er sehr wütend geworden und hat das Mädchen in einen dunklen Keller gesperrt. Da saß es nun Stunde um Stunde und weinte bitterlich und bereute sehr, was es getan hatte. Als es gar keine Tränen mehr hatte, da ging die Kellertür auf, aber nicht der böse Mann stand davor, sondern der König. Der war nämlich sehr klug und hatte rausgefunden, wo der böse Mann das Mädchen gefangen hielt.»
«Und er hat sie gerettet.»
«Ja, er hat sie gerettet, aber als er erfahren hat, dass das Mädchen schuld an der Entführung der Prinzessin war, da wurde er sehr wütend und hat das Mädchen aus dem Schloss gejagt.»
«Warum hat sie denn nich Entschuldigung gesagt?»
«Manchmal reicht das nicht.»
Räuspern ist zu hören. «Vielleicht legt ja die kleine Prinzessin ein gutes Wort für das Mädchen ein, und es kann im Schloss wohnen bleiben.»
«Papa!», ruft Poppy.
Martha schaut hoch, wie lange stand Johannes wohl schon an der Tür?
«Danke, Martha. Ich hab schon die ganze Zeit überlegt, wie ich Poppy erklären soll, was heute passiert ist. Besser als du hätte ich es nicht machen können.»
Wieder klingelt es an der Tür. Und Martha weiß, dass sie jetzt keine Märchen mehr erzählen darf.
31.
D er ist doch hübsch, findest du nicht?», fragt Martha und zeigt auf einen Fisch mit einer roten Flosse.
Aber Poppy will lieber einen gestreiften.
«Ich würde euch noch einen Wels empfehlen», mischt sich der Zoohändler ein, «die nennt man auch Fensterputzerfisch, weil sie die Scheiben des Aquariums schön sauber halten.»
«Mit einem Lappen?», fragt Poppy.
Martha muss lachen, dabei ist ihr überhaupt nicht zum Lachen zumute.
«Vielleicht möchte deine Schwester ja auch ein paar Guppys, die sind besonders pflegeleicht.»
«Ich glaube, sie möchte vor allem Fische, die schön aussehen», sagt Martha.
«Und die bunt sind», sagt Poppy.
Zwischen zwei Stapeln mit Katzenstreu und Sägespänen taucht jetzt ein Kopf auf. «Martha?»
«Vincent? Was machst du
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