Am Ende der Welten - 16
bringen - schließlich wissen wir alle, was auf dem Spiel steht.« Sie musterte die ernsten Mienen der beiden Frauen, ehe sie den Raum verließ. »Was wir nicht gebrauchen können, sind Zeu- gen, die erzählen könnten, dass wir hier waren und wonach wir suchen.«
Kahlan wusste nur zu gut, worauf Schwester Ulicia anspielte. »Bitte«, brachte sie mühsam hervor und stemmte sich mit zittrigen Armen empor. »Bitte, tut ihr nichts. Sie ist doch nur ein kleines Mädchen. Sie weiß doch nichts, was für irgendjemanden von Nutzen sein könnte.«
»Nun, immerhin weiß sie, dass Tovi hier war. Und sie weiß, was sie bei sich hatte.« Vor Missbehagen legte sich Schwester Ulicias Stirn in Falten. »Und vor allem weiß sie, dass wir hier waren und nach ihr gesucht haben.«
Kahlan riss sich zusammen, um ihrer Stimme Nachdruck zu verleihen. »Sie kann euch doch völlig gleichgültig sein. Ihr seid Hexenmeisterinnen, und sie ist bloß ein Kind. Sie kann euch doch unmöglich schaden.«
Schwester Ulicia blickte kurz über ihre Schulter auf das Mädchen. »Und sie kennt unser Ziel.«
Schwester Ulicia sah Kahlan gefährlich ruhig in die Augen, ehe sie, ohne sich auch nur zu dem Mädchen hinter ihr herumzudrehen, diesem ganz unvermittelt und mit großer Wucht den Dacra in den Leib stieß.
Das Mädchen schnappte schockiert nach Luft. Den Blick noch immer starr auf Kahlan gerichtet, lächelte sie über ihre Tat, wie nur das personifizierte Böse dies konnte. Augenblicklich schoss Kahlan der Gedanke durch den Kopf, dass es genauso sein würde, wenn man dem Hüter des Totenreiches in seinem Unterschlupf im düstersten, verborgensten Winkel der jenseitigen Ewigkeit in die Augen starrte. Schwester Ulicia hob eine Braue. »Ich habe nicht die Absicht, irgendwelche Dinge im Ungewissen zu lassen.« In den Augen des Mädchens schien ein Licht aufzublitzen. Sie erschlaffte und sackte zu Boden. Die leblosen Augen waren immer noch unverwandt auf Kahlan gerichtet, so als wollte sie sie dafür brandmarken, dass sie nicht Wort gehalten hatte. In Gedanken hörte sie sich dem Mädchen ihr Versprechen geben - ich werde dich beschützen -, ehe sie in ihrem hilflosen Zorn in Tränen ausbrach und mit den Fäusten auf den Boden trommelte. Und dann, völlig unvermittelt, entfuhr ihr ein Schmerzensschrei, und sie wurde erneut nach hinten gegen die Wand geschleudert. Dort rutschte sie jedoch nicht etwa auf den Boden, sondern blieb haften, wie von einer ungeheuren Kraft festgehalten, einer Kraft, die, wie sie wusste, magischen Ursprungs war.
Sie bekam keine Luft. Eine der Schwestern schnürte ihr mittels ihrer Kraft die Kehle zu. Sie straffte sich, versuchte, Luft in ihre Lungen zu saugen und zerrte gleichzeitig an dem eisernen Ring um ihren Hals.
Schwester Ulicia trat zu ihr hin und brachte ihr Gesicht ganz nah an ihres.
»Heute ist dein Glückstag«, sagte sie mit gifttriefender Stimme. »Leider fehlt uns die Zeit, dich deine Unbotmäßigkeit bedauern zu lassen - jedenfalls nicht jetzt gleich. Trotzdem wage ich zu bezweifeln, dass du damit durchkommen wirst, ohne die Konsequenzen zu spüren zu bekommen.«
»Gewiss nicht, Schwester«, brachte Kahlan unter großen Mühen hervor. Sie wusste nur zu gut, dass nicht zu antworten alles nur noch schlimmer machen würde.
»Ich schätze, du bist einfach zu beschränkt, um zu begreifen, wie unbedeutend und machtlos du angesichts von Menschen bist, die dir weit überlegen sind. Aber vielleicht begreift es ja diesmal selbst jemand, der so primitiv und unwissend ist wie du, wenn man ihm eine weitere Lektion erteilt.«
»Ja, Schwester.«
Obwohl sie nur zu gut wusste, wie man sie leiden lassen würde, um ihr besagte Lektion zu erteilen, würde sie sich in der gleichen Situation wieder so verhalten. Sie bedauerte nur, dass sie es nicht geschafft hatte, das Mädchen wie versprochen zu beschützen. An dem Tag, als sie die besagten drei Kästchen aus dem Palast des Lord Rahl entwendet hatte, hatte sie an deren Stelle ihren wertvollsten Besitz zurückgelassen: die kleine Statuette einer stolzen Frau, die in aufrechter Haltung dastand, die geballten Fäuste am Körper, den Rücken gestrafft und den Kopf in den Nacken geworfen, so als trotzte sie Kräften, die sie erfolglos unterjochen wollten. An jenem Tag im Palast des Richard Rahl hatte sie neue Kraft geschöpft. Wie sie in seinem Garten gestanden und sich noch einmal zu der stolzen Statuette umgedreht hatte, die sie dort zurücklassen musste, hatte sie sich
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