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Am Ende der Wildnis

Am Ende der Wildnis

Titel: Am Ende der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Vaillant
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nach Cooks Erscheinen erhielt er Besuch von der Sea Otter , dem ersten Pelzhandelsschiff an der Küste. Maquinna wurde eingeladen, an Bord zu kommen, und zu einem Ehrenplatz geführt, der mit einer Ladung Schießpulver präpariert worden war. Der Häuptling, der aus seinem Stuhl geschleudert wurde, überlebte zwar den Anschlag, war jedoch für sein Leben von Narben gezeichnet. Beim anschließenden Vergeltungsschlag durch Maquinnas Krieger wurden Dutzende durch Gewehr- und Kanonenfeuer getötet. Bei anderer Gelegenheit plünderten Handelsleute Maquinnas Haus und exekutierten kurzerhand seine Unterhäuptlinge. Fast zwanzig Jahre nach der Explosion des Stuhls leitete Maquinna den Überfall auf die Boston und das Massaker, bei dem die gesamte Mannschaft getötet wurde, mit Ausnahme zweier Männer: Nur der überaus nützliche Waffenschmied und ein Segelmacher, der einfach Glück hatte, wurden verschont.
    Das Leben vieler Nor’westmen nahm ein böses Ende, das von Captain Kendrick jedoch war wohl besonders gerecht: Im Jahr 1795, sechs Jahre nach seinem ersten Kampf mit Koyah, befand sich der launische, alkoholisierte Kendrick im Hafen von Honolulu und forderte ein britisches Schiff namens Jackal zu einem Salutschuss auf. Die Jackal kam der Bitte nach, salutierte jedoch versehentlich mit Gefechtsmunition, und James Kendrick ließ im Kugelhagel sein Leben. Einen Monat später wurde der Kapitän der Jackal von Hawaiianern ermordet. Kendricks Bruder wiederum wurde von einem Verbündeten Koyahs umgebracht.
    Während die Einheimischen sich stets in ihre Dorffestungen oder im schlimmsten Fall in die Tiefe der Wälder zurückziehen konnten, blieben den Nor’westmen zum Rückzug nur ihre Schiffe, auf denen sie bei gesetztem Anker eine leichte Beute waren. Handelsleute schilderten Fälle, in denen sie von Hunderten Kanus umzingelt wurden, die teilweise nicht nur länger waren als ihr eigenes Schiff, sondern auch hinsichtlich der Manövrierfähigkeit auf engem Raum riesige Vorteile besaßen. Ein Entkommen wäre unter diesen Umständen unmöglich gewesen, und auch in den scheinbar harmlosesten Situationen war immer noch mit einem Angriff zu rechnen. William Sturgis, ein Pelzhändlerveteran aus Massachusetts, der zu einem der schärfsten Kritiker seiner Kollegen an der Küste werden sollte, schuf eine Leitlinie für effizienten, gewaltfreien Handel. Sein Erfolgsrezept war, kurz gesagt, eine lückenlose Verteidigung in Verbindung mit der unmissverständlichen Demonstration einsatzbereiter Waffen.
    Ihre Schiffe waren für die Seeleute von unschätzbarer Bedeutung, denn schließlich hing ihr Überleben von ihnen ab. Die von diesen Männern unternommenen Reisen wür den heutzutage als episch gelten, im Grunde waren sie eher interplanetarischer als interkontinentaler Natur. Genau wie ein Raumfahrzeug stellte jedes Schiff ein Lebenserhaltungssystem dar, das Schlafsaal, Speisesaal, Krankenhaus, Ladenfront, Lager, Sitzungszimmer, Festung, Waffenkam mer und auch Rettungsmodul zugleich war. Ohne das Schiff gab es keinen Weg zurück. Ging unterwegs etwas schief, bedeutete das meist den Tod. Es gab keine Möglichkeit, um Hilfe zu rufen, und ohnehin kaum jemanden, der einen Hilferuf hätte erhören können. War das Schiff verloren und hatte man es irgendwie an Land geschafft, dann bedeutete das meist nur verlängertes Leid. Ein von seinem Mutterschiff getrennter Seemann war ein äußerst verwundbares Individuum: Er hatte hervorragende Chancen, von Menschen, die ihm in jedem Sinne des Wortes fremd waren, umgehend getötet oder versklavt zu werden. Der Unterschied zwischen seinem Schicksal und dem zeitgenössischer westafrikanischer Sklaven wäre dann nur eine Frage der Größenordnung gewesen.
    Rückblickend ist es nur schwer zu begreifen, dass die Handelsleute die Ureinwohner so bereitwillig mit Waffen versorgten, zumal die Ureinwohner, wie ein französischer Händler zu berichten wusste, ihre Waffen regelmäßig auf dieselben Männer richteten, die sie ihnen verkauft hatten, und das häufig noch am selben Tag. (Die Spanier betrieben mit Ureinwohnern grundsätzlich keinen Waffenhandel.) In einigen Fällen sollte mit dem Verkauf von Waffen Loyalität erworben werden, wie zum Beispiel bei den britischen Pelzhändlern, die Waffengeschäfte mit verschiedenen Präriestämmen vereinbarten. Da sie oft minderwertige Waffen eintauschten, glaubten einige Händler vielleicht, dass sie im Fall eines Kampfes auf jeden Fall überlegen wären. Anderen war es

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