Am Ende der Wildnis
vermutlich egal, was sie hinterließen, da sie nicht damit rechneten, jemals wieder in dieselbe Gegend zu kommen. Oder vielleicht dachten sie einfach nicht nach. In jedem Fall kam die Geschwindigkeit, mit der die Ureinwohner sich an die neuen Techniken und veränderten Bedingungen anpassten, für viele Händler sehr überraschend.
Es erscheint unmöglich, dass den Mitwirkenden auf beiden Seiten des Pelzhandels nicht klar war, dass den Seeotter dasselbe Schicksal erwartete, das John J. Audubon im Jahr 1843 für die Büffel kommen sah, die damals noch in riesigen Herden über die Prärien zogen. »In nicht allzu vielen Jahren«, schrieb Audubon in seinem Missouri River Journal , »wird der Büffel genau wie der Riesenalk verschwunden sein, und das dürfen wir keinesfalls zulassen.« In den Kelpwäldern, von denen die Pazifikküste übersät war – von Baja California Richtung Norden bis nach Alaska und dann an den Aleuteninseln und Kamtschatka entlang nach Süden bis Japan – gediehen die Seeotter um 1730 noch prächtig. Schon hundert Jahre später war die Art in den meisten ihrer Verbreitungsgebiete so gut wie ausgerottet. Und auch wenn die Ureinwohner bei der Auslöschung der Spezies in den meisten Fällen offenbar bereitwillige oder sogar begeisterte Erfüllungsgehilfen waren, war es doch so, dass die weißen Händler sie ausplünderten. Zwangspraktiken wie Drohungen und Geiselnahmen wurden zwar von einigen Händlern angewendet, aber in gewisser Hinsicht waren die Ureinwohner vor allem Geiseln des Handels selbst: Als der Markt für Felle einmal geschaffen war, blieb ihnen nicht viel anderes übrig als mitzumachen. Sich zu weigern hätte ein Dorf oder einen Stamm zum Verlierer im unvermeid lichen Wettlauf um neue Waffen, Technik und Reichtum ge macht. Und wenn man auf diesen Zug aufgesprungen ist, scheint es Selbstmord zu sein, wieder abzuspringen – auch wenn die Weiterfahrt letztendlich ins Verderben führt.
Mit dem Dahinschwinden der Seeotterpopulation wurden die Stammeskriege so brutal und verschlechterten sich die Handelsbeziehungen auf allen Seiten so dramatisch, dass kommerzielle Unternehmungen das Risiko nicht mehr wert waren. Immer häufiger meuternde Mannschaften und Entführungen von Ureinwohnern gegen Lösegeld in Form von Pelzen verschärften die Situation noch weiter. William Sturgis, der einen Bruder an die Haida verlor, gab die angemessene Einschätzung der Situation an der Küste zu Beginn des 19. Jahrhunderts ab. An seine Erfahrungen im Otterhandel erinnerte er sich folgendermaßen:
Würde ich von all den gesetzlosen & brutalen Handlungen erzählen, die weiße Männer an der Küste verübt haben, dann müssten Sie denken, diese Besucher hätten alle für den Mensch üblichen Eigenschaften verloren, und so war es wohl auch. Mit den ersten Expeditionen wurden … solche Männer betraut, die verfügbar und willens waren, jedes noch so riskante Abenteuer einzugehen. Viele darunter waren verlorene Seelen, gesetzlos & tollkühn. Sie lebten jenseits aller gesellschaftlichen Zwänge und ohne Verantwortung für ihre Mitmenschen, kannten keine Skrupel, was die Mittel zu dem Zweck betraf, den sie verfolgten, und gaben sich jeder Neigung zur Brutalität ungezügelt hin. … Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass einige unter ihnen einen Indianer um seiner Kleidung aus Seeotterfell willen mit ebenso wenig Gewissensbissen erschossen hätten wie die Tiere, von denen die Felle stammten.
Das schnelle und klägliche Scheitern der Handelsbeziehungen an der Nordwestküste kann auf zwei todbringende Faktoren zurückgeführt werden: die Tatsache, dass beide Parteien aus ihren Kulturen extrem gewalttätige Neigungen an den Verhandlungstisch mitbrachten, und dass keine Seite willens war, die andere als »legitim« menschlich anzusehen. Diese Kombination aus Gewalt und Geringschätzung, gekoppelt mit einem starken Anspruchsdenken, war für die Einstellung späterer Siedler und Investoren mitbestimmend, nicht nur, was die menschlichen Bewohner der Neuen Welt betraf, sondern auch im Hinblick auf ihre Ressourcen. Genau genommen hat sich wenig geändert, seit König Wilhelm III. von der anderen Seite des Ozeans erklärte, die Wälder von Maine seien »the King’s Pine«.
Während der Seeotter-»Goldrausch« bei vielen Menschen Fantasien weckte und sie der Habgier anheimfallen ließ, gab es kühlere Köpfe, die von einer Ware Notiz nahmen, welche sich auf lange Sicht als weit lukrativer erweisen sollte. Im Jahr 1787
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