Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
In einem der Postsäcke das Manuskript von Wallace, das alles verändern wird; das die Welt verändern wird.
Ternate, im Januar 1858: Ternate – weit nordöstlich vor der Küste von Celebes gelegen, beinahe auf halber Strecke nach Neuguinea – ist ein kleiner Vulkanhügel; aber einer mit großer Vergangenheit. Zusammen mit der Nachbarinsel Tidore war es der Mittelpunkt des Gewürzhandels, nachdem Portugiesen und Spanier die Welt im frühen 16. Jahrhundert unter sich aufgeteilt hatten, um dann doch auf der anderen Seite der Erde um die Vorherrschaft in Ostindien zu kämpfen. Ternate diente später auch dem holländischen Seefahrtimperium als Umschlagplatz, von dem aus Gewürze und andere Kostbarkeiten der Molukken per Schiff westwärts verfrachtet wurden. Als Wallace ankommt, ist dieses Ternate indes bereits Vergangenheit, ein Mythos wie das mysteriöse Timbuktu in Afrika. Die von zahllosen Erdbeben heimgesuchte Insel besteht im Wesentlichen aus dem bis zum Krater hinauf bewaldeten und unbewohnten Vulkankegel des 1700 Meter hohen Gunung Gamalama. Als der 1840 ausbrach, zerstörte er einen Großteil der an seinem Fuß gelegenen Ansiedlungen, vor allem den Ort Ternate selbst, wo er die Forts der Gewürzhändler, die Moscheen der Einheimischen und den alten Sultanspalast in Ruinen legte.
Im geschäftigen Hafen von Ternate angekommen, kann sich Wallace den Gang zum Sultan oder Raja sparen. Er hat ein Empfehlungsschreiben für den wahren König von Ternate dabei, einen gewissen Mr Duivenboden; ein Kaufmann aus einer alten, in Ternate ansässigen holländischen Familie, der seine Erziehung in England erhalten hat. Er ist belesen und bewandert auch in den Wissenschaften; ihm gehört der halbe Ort, die meisten der Schiffe und mehr als hundert Sklaven – »ein Phänomen in dieser Weltregion«, schreibt Wallace. Duivenboden treibt Handel mit den Einheimischen im Norden von Neuguinea und dort will Wallace als Nächstes hin. Dank der Vermittlung von Duivenboden bezieht er ein Haus, »etwas verfallen, aber für meine Zwecke gut geeignet, da es nahe der Stadt lag und dabei einen freien Ausblick auf das Land und den Berg bot«, schildert Wallace sein neues Domizil. Überdies hat das Haus einen tiefen Brunnen mit erfrischend kaltem Wasser und einen verwilderten Garten mit Fruchtbäumen, darunter vor allem Mangos, an denen sich Wallace ebenso erfreut wie an dem »ungewohnten Luxus von Milch, frischem Brot und der regelmäßigen Lieferung von Fisch und Eiern, Fleisch und Gemüse, welches ich oft schmerzlich entbehrt hatte«. Nach einigen notwendigen Reparaturen richtet sich Wallace im Haus ein. Ternate wird in den kommenden drei Jahren zum Ausgangspunkt und Basislager für ihn. Zwischen seinen Touren zu den verschiedenen Inseln der Molukken und Neuguinea wird er immer wieder hier in dieses Haus zurückkehren, »um meine Sammlungen zu verpacken, mich wieder zu erholen und die Vorbereitungen zu weiteren Reisen zu treffen«. Der Hafenort bietet alles, was Wallace braucht; und er wird in diesem Haus auf Ternate »viele glückliche Tage« verbringen, schreibt er.
Viele haben versucht zu rekonstruieren, wo das einstöckige, aus Stein gemauerte Haus einst stand. Wallace fügt seinem Bericht den einfachen Grundriss des Hauses bei, mit zentraler Halle und vier Räumen zu beiden Seiten, eingerahmt von einer vorderen Veranda zur Straße und einer hinteren zum Garten; und er beschreibt, dass es etwas außerhalb des damaligen Ortes liegt. »Fünf Minuten Weges die Straße entlang brachten mich an den Markt und das Ufer und nach der anderen Seite hin standen weiter keine europäischen Häuser zwischen mir und dem Berge.« Wichtiger aber noch ist der Hinweis: »Gerade unter meinem Hause liegt das Fort, das von den Portugiesen erbaut ist, jenseits welchem sich bis zum Strande ein offener Plan erstreckt, über den hinaus die Stadt der Einheimischen sich etwa eine Meile weit nach Nordosten hinzieht. Ungefähr in der Mitte derselben steht der Palast des Sultans, jetzt ein großes, unsauberes, halb verfallenes Gebäude von Stein.«
Bei ihrer Suche haben die meisten Wallace’ Hinweis auf das Fort zum Ausgangspunkt genommen. Die Portugiesen bauten auf Ternate gleich zwei, unter anderem im Jahre 1512 das Fort Toloko. Es ist gut erhalten, aber liegt ein paar Kilometer nördlich des Ortes und damit zu weit ab. Viel wahrscheinlicher ist, dass Wallace ein anderes Fort meinte, Benteng Oranje, um das der Ort während der vergangenen 350 Jahre
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