Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
auf Celebes eintrifft, ist Wallace entzückt. Es ist mehr als die offene Einladung eines Mannes, der ganz ähnlich denkt, sich mit ihm darüber weiter auszutauschen. Hier ist endlich ein Kontakt zum wissenschaftlichen Establishment der viktorianischen Wissenschaftsgemeinde, der bald auch anzugehören er sich wünscht und deren Anerkennung er sucht. Nachdem die Sammlungsmaterialien von den Aru-Inseln versorgt und verpackt sind und der Bericht über die Expedition zu diesen Inseln verfasst ist, schreibt Wallace erneut an Darwin. Zwar ist auch dieser zweite Brief nicht vollständig überliefert; aber diesmal existiert wenigstens ein Fragment des Schreibens. Es findet sich heute noch in der Korrespondenz Darwins, die in der Bibliothek der Cambridge University Library aufbewahrt wird, und ist ein Kuriosum, dem lange zumindest unter den Darwinforschern niemand Aufmerksamkeit schenkte. Kurios deshalb, weil Darwin es offenbar nur einer Notiz auf der Rückseite wegen für wert befunden hat, aufbewahrt zu werden. Ein Versehen?
Wallace schreibt dort über die Fortpflanzung beim Jaguar. Darwin, der damals mit der Ausarbeitung seines Buches über natürliche Zuchtwahl beschäftigt ist, kann dies als Beispiel gut verwenden. Er bat Wallace in seinem ersten Brief um Auskunft zu ebenjener Jaguar-Frage. Hier nun findet sich dessen Antwort. Wallace schreibt, dass es hinsichtlich der schwarzen Jaguare nicht sicher nachweisbar sei, dass sie sich immer nur inter se paaren; zumal schwarze und gefleckte Tiere in verschiedenen Regionen vorkämen und unter den zahllosen Fellen keine bekannt seien, die auf Mischlinge hindeuteten. Ein bisschen Panther geht nicht, so ist Wallace offenbar überzeugt und hält den schwarzen Jaguar durchaus für eine schlankere, eigene Form.
Was uns hier interessiert: Die Jaguar-Notiz erlaubt, das Brieffragment dem ansonsten fehlenden zweiten Brief Wallace’ zuzuordnen. Wichtig ist dabei, was auf der Rückseite des Papierfetzens steht und erstmals 1972 durch den Historiker Lewis McKinney zugänglich gemacht wurde (um dann wieder vergessen zu werden). »Es ist höchst interessant« – hier muss McKinney einige Wörter aus dem Zusammenhang ergänzen, denn die Oberkante des Brieffragments schneidet diese ab – »aus Ihrem freundlichen Schreiben vom vergangenen Mai zu erfahren, dass meine Ansichten über die Abfolge der Arten mit Ihren eigenen übereinstimmen; denn ich begann bereits etwas enttäuscht darüber zu sein, dass mein Aufsatz weder Diskussion ausgelöst noch zum Widerspruch eingeladen hat. Diese Theorie nur mehr aufzustellen und aufzuzeigen ist natürlich nur vorläufig und geht dem Versuch einer detaillierten Begründung voraus, zu der ich einen Plan entworfen und tatsächlich bereits begonnen habe aufzuschreiben, der aber noch viel Arbeit in Bibliotheken und Sammlungen erfordert.« Hier schneidet die Unterkante des Fragments erneut einige Worte ab, bevor Wallace schließt, es sei »eine Arbeit, die vorzunehmen ich mich nach meiner Rückkehr freue«.
Darwin wusste spätestens, als er den Brief knapp drei Monate später erhält, sehr genau, was Wallace vorhat. Unmissverständlich hat Darwin ihm in seinem ersten Brief deutlich gemacht, dass er seit Langem schon an der Artenfrage arbeitet und an einem Buch schreibt. Und jetzt antwortet dieser Wallace ihm, dass er ebenfalls ein Buch über die Artenfrage plane und seine Ideen aus dem Sarawak-Aufsatz weiter ausbauen wolle. Wir wissen das, seit McKinney Wallace’ »Species Notebook« ausgewertet hat. Was ist wohl Darwin durch den Kopf gegangen, als er von Wallace’ Plänen erfährt? Lyell hatte ihn bereits vor ihm gewarnt; und tatsächlich könnte ihm dieser Wallace gefährlich werden. Erinnern wir uns, dass Darwin zu diesem Zeitpunkt bereits einen nicht unerheblichen Teil jenes Buchmanuskriptes fertiggestellt hat, in dem er ursprünglich seine Theorie der natürlichen Selektion vorstellen will. Mitte Mai 1856 hat er Arbeit an seinem »Species Sketch« aufgenommen, sich dann aber für ein großes Artenbuch entschieden. Mitte Oktober vermerkt Darwin in seinem Tagebuch, dass er die ersten beiden Kapitel fertiggestellt hat. Von da an legt sein Buchmanuskript schnell an Umfang zu. Es enthält den gleichen Aufbau, die gleiche Kapitelgliederung und eine ganz ähnliche Argumentationsstruktur wie bereits Darwins erste Aufsatzentwürfe aus den Jahren 1842 und 1844. Auch als Darwin dann im Mai 1857 erstmals an Wallace schreibt, arbeitet er unermüdlich an diesem
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