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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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armen Bauern in den Highlands werden wieder lebendig. Demnach ist es letztlich das walisische Erbe, das ihn zu seinem malthusischen Moment führt.
    Wallace zieht überdies eine direkte Verbindung zwischen dem Menschen und der Frage, wie Arten entstehen. Er übersetzt, was er vom Menschen weiß, auf die Tiere und erkennt, dass überall in der Natur Kampf und Wettbewerb herrschen, dass sich Lebewesen den jeweiligen äußeren Verhältnissen anpassen und dass jede Weiterentwicklung immer auch Leben kostet. »Es sind diese Hemmungen – Krankheit, Hungersnot, Unfälle, Krieg etc. –, die die Bevölkerung niedrig halten, und ich erkannte plötzlich, dass diese Hemmungen auf die Tiere sogar eine noch viel größere Wirkung haben würden; und da die niedrigeren Tiere alle dazu neigen, sich viel rascher zu vermehren als die Menschen, während ihre Populationen im Durchschnitt konstant blieben, blitzte in mir plötzlich der Gedanke auf, dass die am besten Angepassten überleben würden«, schreibt Wallace in seinen Memoiren.
    Einige Historiker betonen, dass Wallace eben nicht nur das geographische Vorkommen der reichen Tierwelt des Archipels untersucht und die Unterschiede der menschlichen Bevölkerung registriert; vielmehr sei er der Erste (neben Darwin), dem es gelingt, wichtige Teile des Puzzles endlich zusammenzusetzen. Und so wie diese Teile sich zum Bild fügen, so kombiniert Wallace biogeographische Phänomene und Verteilungsmuster der Tiere mit dem Phänomen der Variation innerhalb einzelner Arten zur Theorie der Evolution. »Dann, indem ich die Variationen betrachtete, die fortwährend bei Tieren und Pflanzen vorkommen, wurde mir die ganze Methode der Änderung der Arten klar, und in zwei Stunden meines Anfalls hatte ich die Hauptpunkte der Theorie durchdacht.«
    Er habe erkannt, so Wallace mehrfach in seinen Erinnerungen, »dass dieser Naturprozess notwendig die Rasse verbessern musste, weil in jeder Generation die Schlechten getötet und die am besten Angepassten überleben würden«. Was später unter dem Begriff »survival of the fittest« zu einigermaßen trauriger Berühmtheit kommt und Darwin natürliche Selektion nennt, heißt bei Wallace einfach nur »general principle«. (Das Schlagwort vom Überleben des Tauglichsten stammt übrigens nicht, wie immer wieder irrigerweise angenommen wird, von Charles Darwin, sondern von seinem Zeitgenossen Herbert Spencer.) An anderer Stelle schildert Wallace seinen Einfall so: »Dann blitzte in mir, wie es bei Darwin zwanzig Jahre zuvor der Fall gewesen war, die Gewissheit auf, dass die, welche Jahr für Jahr diese schreckliche Vernichtung überlebten, im Ganzen diejenigen sein müssten, die eine kleine Überlegenheit besaßen, die sie befähigt, jeder besonderen Todesform, der die große Mehrheit unterlag, zu entgehen, dass – mit der wohlbekannten Formulierung – der Geeignetste überleben würde. Ich sah dann sogleich, dass die immer vorhandene Variabilität aller Lebewesen das Material verschaffen würde.«
    Weit mehr noch als Darwin, so meinen einige Historiker, habe sich Wallace also von der malthusischen These beeindrucken lassen, dass es insbesondere den enormen jährlichen Verlusten einer jeden Bevölkerung und Tier-Population geschuldet sei, dass diese auf dem gleichen Stand bleibe. Wir wollen aber nicht übersehen, dass die beiden Begründer der Theorie von der natürlichen Auslese ihr Denken in Populationen durchaus verschiedenen Wurzeln verdanken. Bei Darwin sind es die Tierzüchtung und die taxonomische Tätigkeit (wir erinnern uns seiner immerhin achtjährigen Rankenfußkrebs-Periode). Von Darwins Faszination für Haustiervarietäten hält Wallace indes nicht viel. Er stützt seine Einsichten und Schlüsse auf die direkte Beobachtung von Varietäten im Naturzustand. Bereits in seinen ersten Aufsätzen hat er sich mehrfach gegen diese Züchtungs-Analogie gewehrt und auch den Terminus Selektion in seinem Ternate-Aufsatz nicht verwendet, sondern schreibt allgemeiner von ebenjenem Natur-Prinzip. Mit der Auslese ist Wallace nie recht glücklich gewesen; später wird er sogar versuchen, Darwin dessen Begriff der natürlichen Selektion auszureden, er schlägt ihm stattdessen das Wort vom Kampf ums Dasein vor (was Darwin, glücklicherweise, nicht übernimmt).
    Halten wir fest: Sowohl Darwin als auch Wallace haben unabhängig voneinander und durch im Detail etwas unterschiedliche Überlegungen die ebenso simple wie geniale Idee, zwei an sich unterschiedliche

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