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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Evolutionstheorie schweigt er in seinem Bericht beharrlich – und so ahnt der Leser nicht, wie Wallace zu seinen Ideen kam. Er erwähnt nicht einmal die wichtigen Arbeiten aus Sarawak 1855, die Aru-Studie 1857 oder gar den Ternate-Aufsatz 1858. Nur einmal geht er über die reine Naturforschung hinaus, als er sich im abschließenden Kapitel zu den Menschen und ihren »Rassen« und ihrem Schicksal äußert.
    Die Begründung der Biogeographie: Noch einmal sieben Jahre später lässt Wallace sein eigentliches opus magnum folgen, als im Mai 1876 die »Geographical Distribution of Animals« erscheint. Es ist die erste ausführliche und synthetische Darstellung zu Vorkommen und Verbreitung sowie zur Ausbreitung von lebenden und ausgestorbenen Tieren. »Ich bin überzeugt, Sie haben für jede künftige Arbeit über Verbreitung einen breiten und sicheren Grund ge legt«, schreibt ihm Charles Darwin knapp einen Monat danach. In jahrelanger Arbeit hat sich Wallace für diese Studie in ganz unterschiedliche neue Gebiete eingearbeitet, etwa in die Kenntnis fossiler Säuger, zu denen sich hier nun erstmals eine zusammenfassende Darstellung der damals bekannten Vorkommen findet. Auch hat ihn lange die Veränderung der Kontinente und der Wechsel des Klimas früherer geologischer Zeitepochen beschäftigt. Dazu hat Charles Lyell mit ihm, dem Autodidakten, in langen Briefen mit bis zu dreißig Seiten (wer schreibt die heute noch?) beispielsweise Eiszeitphänomene und ihre Auswirkungen auf die Säugetierfauna diskutiert (hier trägt seine Hochzeitsreise mit Annie zu den Gletschern in Wales nochmals Früchte).
    Zwar gab es bereits frühere Werke zur Verbreitung von Landtieren, insbesondere von deutschen und österreichischen Forschern. Aber bei Wallace ist all dies erstmals in einen entwicklungsgeschichtlichen Rahmen gestellt und vor dem Hintergrund der Evolution interpretiert, mit drei klaren und knappen Grundprinzipien. Erstens ist jede Art nur einmal entstanden, zweitens sind Klima und Boden nicht die letzte Ursache ihres Vorkommens, und drittens verändern sich Arten und ihre Vorkommen. Im Vorwort erklärt er den neuen Plan seines Ansatzes, bei dem er nicht mehr die Verbreitung einzelner Arten für seine Schlussfolgerungen nutzt, sondern die von Gattungen und Familien. »Denn die Arten sind zu zahlreich und repräsentieren nur die neuesten Modifikationen der Formen.« So ist die Verbreitung der Gattung des Elefanten viel aufschlussreicher als nur die Kenntnis, wo die beiden lebenden Arten vorkommen; eine Betrachtung auf der höheren Gattungsebene nämlich führt zur Frage eines etwaigen Zusammenhangs zwischen Afrika und Asien. Zudem präsentiert Wallace in diesem Werk die erste Karte, die anhand der terrestrischen Tierwelt die Erde in biogeographische Regionen einteilt – ein Grundpfeiler der modernen Biogeographie. Hier schlägt Wallace die bis heute immer noch gültige und meistverwendete Gliederung der Landgebiete in tiergeographische Regionen vor: die paläarktische, nearktische, neotropische, äthiopische, orientalische und australische Region, Letztere getrennt durch jene nach ihm benannte markante zoogeographische Grenze quer durch den Archipel. Wallace, obgleich er einmal bemerkt, »it was written a quarter of a century too soon«, wird durch diese Arbeit der erste Biogeograph im modernen Sinne.
    Dazu schreibt er auch noch verständlich; selbst verwickelte Gedankengänge legt er klar und deutlich dar und wird dafür vielfach gelobt. So wie er auch dafür bewundert wird, wie er ungeheure Tatsachenmengen ordnet und es dank seiner besonderen Gabe, zu verallgemeinern, auch hier versteht, aus vielen Fakten Gesetzmäßigkeiten herauszufiltern. Überdies lege Wallace, so lobt später ein Bewunderer, bei mehreren Ursachen einer Tatsache jeweils deren verschiedenartigen Anteile dar, weit entfernt von simpler Vereinfachung. Wallace vereine in seiner Schreibweise wissenschaftliche und populäre Darstellung. Was wollen wir mehr?
    Allerdings ist für Wallace das Thema Biogeographie damit noch nicht erledigt; weitere vier Jahre später legt er im Oktober 1880 mit »Island Life« sein Werk vor allem zu den Ausbreitungsmöglichkeiten von Tieren auf Inseln vor. Es wird ebenfalls zu einem Standardwerk, das bis heute gelesen wird – oder wenigstens zitiert, denn es begründet die Insel-Biogeographie. Darin diskutiert Wallace auch nochmals ausführlich die, wie er sagt, »anomale Insel« Celebes oder Sulawesi und jene widersprüchlichen

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