Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
Pflanzenwelt.
Doch nicht nur Borneo, auch viele andere Provinzen Indonesiens – von Sulawesi bis nach Neuguinea – sind zum Hoheitsgebiet der Holzmafia und der Abhängigkeiten schaffenden Ölpalmwirtschaft geworden. Auf Sumatra etwa war die Provinz Riau, so groß wie Tschechien, 1982 noch zu 80 Prozent mit tropischem Regenwald bedeckt; dann wurden in nur drei Jahrzehnten rund 65 Prozent des ursprünglichen Waldes vernichtet. Überall haben die Regierenden den Raub in der Schatzkammer der Natur ermöglicht und belebten ihn jüngst mit der Anlage immer neuer Ölpalmplantagen. Überall können wir zusehen – vor Ort oder per GoogleEarth –, wie sich Abholzung, Brandrodung und Ölpalmplantagen von innen und außen kommend in die letzten verbliebenen tropischen Regenwälder hineinfressen. Realistisch ist der Schutz großer zusammenhängender Gebiete längst nicht mehr. Die aber brauchen nicht nur große Tiere zum Überleben.
Orang-Utan und Co. als Opfer der Kettensägen-Orgie: Was wir bei diesem Kahlschlag per Kettensäge in den einstmals riesigen Regenwaldregionen und der Anlage monotoner Ölpalmplantagen allzu häufig übersehen, sind die Millionen und Abermillionen an Tieren, die Hunderttausende an einmaligen Arten, die dabei zugrunde gehen. Nicht aller Schicksal ist so sichtbar wie das des Orang-Utans, der es bereits Wallace besonders angetan hatte und der ihn trotzdem skrupellos für Museumssammlungen schoss. Die »Waldmenschen« sind die uns am nächsten stehenden Leidtragenden jener unheilvollen Entwicklung, die weite Teile ihres Lebensraumes auf Borneo und Sumatra vernichtet hat. Gab es bis um 1990 noch schätzungsweise 150000 Orang-Utans auf Borneo, war ihre Zahl im Jahre 2000 bereits auf 55000 zusammengeschrumpft; zwei Drittel der Population sind hier in nur zwei Jahrzehnten ausgelöscht worden. Auf Sumatra sind von den einst 200000 Menschenaffen noch gerade einmal 7000 übrig. Nach Einschätzung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen könnten die Menschenaffen mit dem rotbraunen Fell innerhalb der kommenden zehn Jahre aus der freien Wildbahn verschwunden sein. Offensichtlich werden Orang-Utans in ihrem natürlichen Lebensraum, in dem Wallace sie einst beobachtete, nicht überleben, da es diesen Lebensraum bis 2020 – von Resten abgesehen – nicht mehr geben wird. Bereits heute leben Orang-Utans in Sabah im Nordwesten Borneos nur noch in Reservaten, etwa der Auffangstation Sepilok, wo sie Touristen vorgeführt werden; ohne dass man hoffen darf, sie je wieder auswildern zu können. Wohin auch?
Der Orang-Utan ist eine Schlüsselart; bei anderen merken wir den Verlust weniger, meist fehlen Studien und exakte Zahlen. Sicher ist: Als ob der Holzeinschlag nicht schon schlimm genug wäre, kommen mit den Holzfällern, die breite Schneisen in den Wald legen, auch skrupellose Wilderer und Tierhändler. Vom Sumatra-Nashorn leben in freier Natur keine 300 Tiere mehr. Auch das Java-Nashorn, auf der Insel eine eigene Unterart, ist heute massiv vom Aussterben bedroht. Ebenso der Wald-Elefant und der Tiger auf Sumatra, von denen es derzeit nur noch wenige Tiere gibt – wenn überhaupt. Nicht besser dran sind Nasenaffen und Nebelparder, Malaienbär und Gibbons oder der Bali-Star und die Rhinozeros-Hornvögel – und mit ihnen weitere Abertausend Tierarten unter den Wirbellosen, den Schmetterlingen, Käfern und anderen Insekten, die vor ihrem endgültigen Verschwinden kaum noch jemand zu Gesicht bekommt.
Artensterben auch am Amazonas: In anderen Regionen der Erde sieht es nur wenig anders aus. Mit 0,4 Prozent pro Jahr verschwindet der tropische Regenwald auch in Afrika, mit 0,5 Prozent in Südamerika, weit übertroffen von den Verlusten in der Karibik und in Mittelamerika, wo die Rodungsrate bis zu 1,2 Prozent erreicht. Während im indo-malayischen Raum nur noch ein Prozent der Wälder existiert, die eine ursprüngliche Großtierfauna beherbergen, sind in Afrika immerhin noch ein Zehntel und in den amerikanischen Tropen noch ein Drittel der großen Wälder vor allem in Amazonien erhalten.
Die biologische Vielfalt der Erde ist nicht gleichmäßig verteilt; drei Viertel aller Tier- und Pflanzenarten leben in den tropischen Regenwäldern entlang des Äquators, die indes nur rund sieben Prozent der Landoberfläche bedecken. In nur drei Ländern der Erde – Brasilien, Madagaskar und Indonesien – durchstreift die Hälfte aller Säugetierarten der Welt den Dschungel. Die Wälder am Amazonas, die überwiegend auf
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