Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
Generation von Indonesiern wird keinen Regenwald mehr sehen – nicht auf Borneo und wohl auch kaum auf einer anderen Insel im Riesen-Archipel. Denn kein Land hat seine natürlichen Ressourcen so schnell und so gründlich zerstört. In Indonesien ist der Wald seit den 1950er-Jahren von 162 Millionen Hektar auf etwa 88 Millionen Hektar geschrumpft, sind mithin 74 Millionen Hektar Wald verloren gegangen. Dieser Verlust von 45 Prozent entspricht einer Fläche mehr als zweimal so groß wie Deutschland. Und ein Ende ist nicht abzusehen.
Feldzug gegen den Urwald: Kettensägengeheul im Wald, umstürzende Urwaldriesen, Kahlschlag, Brandrodung und eintönige Plantagen, so weit das Auge reicht; Flächen, auf denen danach nichts mehr so ist, wie es einmal war. Solche Bilder sind bekannt, Fernsehreportagen, andere Medien und die Aufklärungsarbeit von Naturschutzverbänden hierzulande haben sie uns durchaus ins Bewusstsein gebracht. Wirkungsvoll dagegen tun wir indes ebenso wenig wie gegen die Ursachen des drohenden, von Menschen gemachten Klimawandels, der damit direkt zusammenhängt.
Stattdessen setzt sich der Feldzug gegen die Natur in den besonders ertragreichen Wäldern der Tropen fort, an dem sich geldhungrige Regierungen, korrupte Beamte, global agierende Holzfirmen und lokale »Holzbarone« gleichermaßen beteiligen. Sie alle schicken Holzarbeiter, die Ärmsten der Armen, weiterhin in den Wald. Der Verkauf illegal geschlagenen und illegal exportierten Holzes füllt sowohl öffentliche Kassen als auch die Taschen der Beteiligten. Drei Viertel des nach Deutschland importierten Holzes stammen weiterhin aus illegalen Quellen, so schätzen Naturschutzverbände. Nichts hat dies bisher verhindert und niemand schert sich wirklich darum. Es ist ein profitables Geschäft; eines, das gänzlich außer Kontrolle geraten ist. Bereits 2003 erklärte die indonesische Regierung ihren moralischen Bankrott, als sie verkündete, im eigenen Land die Rodung des Regenwaldes nicht mehr kontrollieren zu können, und stattdessen anlässlich eines Treffens der größten Kreditgeber die internationale Gemeinschaft aufforderte, kein illegales Holz mehr zu importieren. Gleichzeitig ermöglichten es indonesische Regierungsstellen, das Tropenholz in großem Maßstab über die Grenzen nach Malaysia und anderswo außer Landes zu bringen, wo es nachträglich die nötigen Papiere bekommt. Überall in Indonesien, aber auch anderswo in tropischen Ländern sind stets Politiker in das schmutzige Geschäft verstrickt; doch wir alle erlauben und ermöglichen ihnen diese ungehemmte Plünderung der natürlichen Reichtümer – zu unser aller Schaden.
Inzwischen ist die Rodung doppelt lukrativ. Erst wurden jahrelang durch selektiven Holzeinschlag die wertvollsten Tropenbäume – Meranti und Ramin – einzeln aus dem Wald gezogen und ihr Holz höchst profitabel verkauft. Doch das war nicht genug. Anschließend wurde der Wald buchstäblich zu Kleinholz gemacht und geschreddert; Lizenzen erlaubten großflächige Rodungen, um die gefällten Bäume in den Mahlwerken einiger weniger großer Zellstoffwerke internationaler (und zudem von uns finanzierter) Papierkonzerne vor allem zu Drucker- und Kopierpapier zu verarbeiten. Schließlich wurde der großflächige Anbau der Ölpalme Elaeis guineensis zum neuen Riesengeschäft. Überall in Indonesien füllt seitdem die Anlage von Ölpalmplantagen die Kassen nicht nur der Plantagenbesitzer, sondern vor allem von korrupten Ortsgrößen und Regierungsstellen. In dem Schwellenland gilt das als chic, weil Wohlstand verheißend; derweil vernichten Arme wie Reiche gemeinsam den natürlichen Reichtum ihres Landes.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Plantagenfläche für Ölpalmen verzehnfacht. Bildhaft ausgedrückt: Auf einen Urwaldbaum kommen heute Hunderttausende von Ölpalmen. Das aus ihren Früchten gepresste Öl steckt unerkannt in einer ganzen Palette von Produkten – von der Margarine über Fertiggerichte wie Tiefkühlpizza und Käsekuchen bis zu Kosmetika wie Lippenstift. Und die Nachfrage nach Palmöl steigt weiterhin, in den vergangenen Jahren im Schnitt um 15 Prozent. Noch mehr Palmöl wird nachgefragt, seit Biokraftstoffe Benzin und Diesel beigemischt werden. So könnten Prognosen zutreffen, die davon ausgehen, dass sich die Nachfrage bis 2030 verdoppeln, bis 2050 sogar verdreifachen wird – vielerorts in den Tropen der Todesstoß für die verbliebenen Regenwälder und ihre Tier- und
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