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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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rekonstruiert, dürfte er auch das grundlegende und wichtige Werk des britischen Geologen Charles Lyell gelesen haben. Dessen zweibändige Ausgabe der »Principles of Geology« beschäftigt sich mit den neuesten Erkenntnissen über geologische Erscheinungen. Darin zeigt Lyell in überzeugender Weise auf, dass sich diese durch heute noch wirkende Kräfte erklären lassen und keineswegs nur durch eine Theorie der Katastrophen, wie sie George Cuvier in Frankreich propagiert hat. Cuvier glaubt, das Leben auf der Erde sei mehrfach durch plötzliche und alles vernichtende Ereignisse ausgelöscht und anschließend neu erschaffen worden. Lyell dagegen ist überzeugt, dass sich die Erde allmählich und schrittweise wandelt, verursacht durch jene Ereignisse wie etwa Vulkanismus, Meeresspiegelschwankungen und die Entstehung von Gebirgen, deren Zeugnisse sich heute allerorts auf der Erde noch immer beobachten lassen. In diesem Zusammenhang diskutiert Lyell in seinem Werk auch die Theorie des französischen Naturforschers Jean-Baptiste de Lamarck zur allmählichen Veränderung von Arten. Lamarck brachte erstmals um 1800 die Idee einer solchen Evolution der Organismen auf. Deren geologische Grundlagen nimmt Lyell in seinem Buch zwar gründlich auseinander; zugleich aber schafft er mit seinen »Prinzipien« überhaupt erst die Voraussetzungen für die Denkmöglichkeit, dass es neben allmählichen geologischen Veränderungen auch zu einer schrittweisen Entwicklung des Lebens gekommen sein könnte. Charles Darwin hat während seiner Weltumsegelung mit der »Beagle« zwischen 1832 und 1836 beide Bände von Lyells epochalem Werk aufmerksam gelesen und verdankt dem britischen Geologen fundamentale Einsichten, die schließlich die Biologie revolutionieren werden. Jetzt, kaum ein Jahrzehnt später, ergeht es Wallace nicht anders; auch bei ihm wird Lyells Lehre bald auf fruchtbaren Boden fallen.
    Die Geologie ist das eine, Botanik das andere. Gemeinsam mit seinem Bruder William quartiert sich Alfred 1841 zur Landvermessung einige Meilen nördlich von Neath bei einem Farmer ein. Sie bleiben dort für mehr als ein Jahr. Immer wenn ihm seine Arbeit Zeit dafür lässt, beginnt Wallace nun – er ist achtzehn – systematisch Pflanzen zu sammeln; er lernt, sie richtig zu trocknen, und auch, ein Herbarium anzulegen, das langsam anwächst und für ihn zu einem kleinen Schatz wird. »Während meiner einsamen Wanderungen wurde ich erstmals auch aufmerksam gegenüber der Natur um mich, und wünschte, mehr über die zahlreichen Blumen, Büsche und Bäume zu wissen, denen ich täglich begegnete, für die ich aber nicht einmal die gebräuchlichen Namen kannte. Zu dieser Zeit wusste ich auch nicht, dass es eine Disziplin wie die systematische Botanik gibt und dass jedes noch so kleine Gras und unbedeutende Gewächs akkurat beschrieben und klassifiziert worden ist, geschweige denn, dass sogar ein Klassifikationssystem existiert, in dem jede der unzähligen Arten von Tieren und Pflanzen ihren Platz findet.« Anfangs nur aus eher absichtsloser Liebhaberei versucht er, jene Pflanzen zu bestimmen, denen er bei seiner Arbeit begegnet. Bald hilft ihm ein populäres Bestimmungsbuch, jede Pflanze korrekt einer Familie zuzuordnen. Endlich hat er eine lösbare und konkrete Aufgabe für seine freien Stunden. Er erinnert sich noch lange später, wie viel Vergnügen und Trost er in der Vielfalt der Pflanzen und Insekten fand, die er bei seinen Streifzügen in der Natur entdeckte. »Sie ließen etwas von den Geheimnissen ahnen, die sich hinter der Fülle der verschiedenen Lebensformen verbergen.«
    Bei Pflanzenzüchtern in der Stadt Swansea beeindruckt Wallace erstmals auch die bunte Pracht und Vielfalt von Orchideen; sie lassen ihn an Reisen in ferne Tropenländer denken. Später werden sie ihn tatsächlich auf seinen eigenen Reisen immer wieder faszinieren; jetzt in Wales sind sie allenfalls eine vage Andeutung zukünftiger Möglichkeiten. Später wird Wallace für seine Sammlungen und Beobachtungen an Schmetterlingen und Vögeln gerühmt werden; doch jetzt sind – wie bei so vielen Naturkundlern – auch bei ihm Pflanzen die erste Liebe. Sein Bruder William hält sein neues botanisches Hobby für reine Zeitverschwendung. Alfred aber erfährt dadurch früh »jene Freude, die jede Entdeckung einer neuen Lebensform dem Naturliebhaber gibt, beinahe gleich jener Verzückung, die ich empfand, wenn ich später am Amazonas eine neue Schmetterlingsart fing, oder angesichts

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