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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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des beständigen Stromes neuer Arten von Vögeln, Käfern und Schmetterlingen in Borneo, den Molukken oder auf den Aru-Inseln«. Noch aber ist Wallace Landvermesser in Neath.
    Inzwischen beherrscht Wallace seine Profession derart gut, dass er nicht nur Mathematik, sondern auch grundlegende Prinzipien der Optik und Astronomie kennt, die er sich weitgehend im Selbststudium beibringt. Dass er eine rasche Auffassungsgabe für naturwissenschaftliche Zusammenhänge hat, ist auch ihm bewusst; dass er jedoch bereits zu dieser Zeit als Landvermesser erste Gehversuche auch als Naturforscher unternimmt, wie wir gleich sehen werden, haben Wissenschaftshistoriker erst unlängst als eine neue Facette seines Lebens entdeckt. Bemerkenswerter noch als die bloße Tatsache, dass er sich bereits in Neath an einem praktischen Problem der Astronomie versucht, ist, wie selbstbewusst und konsequent unser bislang eher schüchtern wirkender Wallace seine eigenen Überlegungen und Ansätze zur Lösung buchstäblich an den Mann bringt. Er führt uns dabei erstmals vor Augen, was wir später – an einer zentralen Stelle seiner Karriere als Forscher – wiedererkennen werden: Wallace wendet sich direkt und ohne jede Scheu an einen prominenten Wissenschaftler, um mit ihm eine Forschungsfrage zu diskutieren.
    Erst vor wenigen Jahren entdeckte der amerikanische Wallace-Forscher Charles Smith einen bislang unpublizierten Brief, den Wallace etwa um 1841 an William Henry Fox Talbot geschrieben hat. Darin schlägt unser Landvermesser und Autodidakt ausführlich vor, wie sich Teleskopspiegel verbessern lassen. Talbot ist einer der führenden Gelehrten auf diesem Gebiet und hat frühe photographische Verfahren in der Astronomie entwickelt. Wallace’ Brief an Talbot beschäftigt sich mit Feinheiten optischer Gesetze, die der weiteren technischen Entwicklung der Photographie damals noch Probleme bereiten und für die sich Alfred Russel Wallace – unser späterer Weltreisender, Biologe und Biogeograph – kurzerhand einen Lösungsansatz überlegt hat. Wir wissen zwar nicht, ob Talbot ihm auf diesen Brief je geantwortet hat; aber offenbar hat er den Brief behalten, der unlängst eher zufällig entdeckt wurde. Hier also beweist der noch junge Wallace erstmals sichtbar so viel Selbstvertrauen in sich und seine theoretischen Überlegungen, dass er sie einem der Größen der damaligen Wissenschaft vorstellt. Später tritt uns Wallace auch aus seiner Autobiographie als jemand entgegen, der sich nicht vor dem Ruf und der Reputation eines anderen fürchtet; ihm geht es um die Tatsachen der Natur, nicht um Eitelkeit und Befindlichkeit eines Naturforschers. Jener Brief an Talbot ist mithin mehr als ein bloßes Kuriosum; wir haben in ihm eines der frühesten Zeugnisse von Wallace als sich entfaltender Forscher. Immerhin entsteht der Brief sieben Jahre, bevor Wallace seine erste längere Arbeit veröffentlichen wird. Und fünfzehn Jahre später wird er auf ganz ähnliche Weise eine Korrespondenz mit Charles Darwin zur Frage nach dem Ursprung der Arten beginnen.
    Das Entscheidungsjahr 1844 und die Bibliothek in Leicester: Im April 1843 stirbt Alfreds Vater; endgültig zerfällt nun die Familie, als die Kinder in alle Richtungen auseinandergehen, um jedes für sich Arbeit zu finden. Bei William in Wales herrscht indes Auftragsmangel. Es sind die »hungry forties«; vor allem aber verhindern in diesem Jahr Aufstände der walisischen Bauern und die gewaltsame Antwort der britischen Regierung weitere Aufträge zur Landvermessung. Alfred bleibt für einige Zeit bei seinem Bruder John in London, doch auch dort findet er keine Arbeit. Nach einer erfolglosen Bewerbung als Lehrer – Wallace hat nur mehr erste Erfahrungen als nicht ganz freiwilliger Tutor jüngerer Schüler in Hertford – wird er 1844 Schullehrer an der Kollegiatschule in Leicester. Diese Privatschule wird von einem jungen Geistlichen, einem gewissen Reverend Abraham Hill, geleitet; der traut dem anfangs schüchternen und noch etwas unbeholfenen Alfred dennoch eine bescheidene Karriere als Lehrer zu und nimmt ihn in seinem Haus auf. Diese Tätigkeit in Leicester ist die einzige bezahlte Anstellung, die Wallace je in seinem Leben haben wird. Wallace unterrichtet, durchaus mit Erfolg, Lesen, Schreiben und Englisch für die unteren Klassen, auch Zeichnen für Anfänger; und er bringt einigen fortgeschrittenen Schülern Rechnen und Vermessen bei. Dazu muss er selbst allerdings mithilfe des Schulmeisters noch

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