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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Geld für seinen eigenen Schulunterricht verdienen, das der Vater sonst kaum mehr aufzubringen vermag. Zudem ist Alfred offenbar kein untalentierter Lehrer und legt hier wohl den Grundstein für seine spätere, erfolgreiche Tätigkeit als Lehrer; obgleich er sich dies damals in Hertford wohl kaum hat vorstellen können oder wollen.
    Bis Ende 1836 verschlechtert sich die finanzielle Situation der Familie Wallace nochmals dramatisch. Thomas Vere Wallace ist in Gelddingen offenbar nicht nur gänzlich glücklos, sondern ohne jedes Gespür fürs Geschäft; ein Wesenszug, den Alfred Russel später meint geerbt zu haben. Den letzten Rest seines Vermögens vertraut der Vater einem entfernten Verwandten und zudem Anwalt an, der es in einer Reihe erfolgloser Anlagen und riskanter Geschäfte verspielt. Uns soll hier genügen, die Folgen dieser erneuten Fehlinvestitionen zu notieren. Denn nun müssen die Wallace-Kinder die Schule abbrechen und eine nützliche und vor allem einträgliche Tätigkeit ergreifen, mit der sie der Familie helfen können. So wird Alfreds Jugend, nach einer nur kurzen, aber durchaus glücklichen Kindheit, von einer Zeit des Umbruchs geprägt, in dem sich ganz England damals befindet. Der Wandel von einer bislang weitgehend landwirtschaftlich geprägten zu einer industrialisierten Gesellschaft, aber auch die Expansion im aufkommenden Britischen Empire erfasst vor allem die Arbeiter- und Mittelklasse. Zwar bieten sich auch neue Gelegenheiten, doch traditionelle Werte, basierend auf Ansehen und Vermögen der Familie sowie dem Geburtsrecht, schwanken, das soziale Gefüge wird insgesamt instabiler; Reichtum und Macht werden umverteilt. Zugleich werden mehr Menschen mit entsprechender Expertise und Kenntnis in den Naturwissenschaften benötigt, etwa um Waren und Güter zu produzieren, mit denen sich neue Märkte erschließen lassen. England ist im Aufbruch, und so auch Wallace.
    Frühe Einsichten und Ansichten: Mitte März 1837 wird er nach London zu seinem älteren Bruder John geschickt. Der, inzwischen neunzehn, logiert bei einem kleinen Bauhandwerker, der ihn zur Ausbildung aufgenommen hat; Alfred wird bei ihm mitlernen und mitarbeiten. Die Abende verbringen sein Bruder und er meist in der »Hall of Science«, einer Art Abendschule nach Vorbild der im Land damals nicht seltenen »Mechanics’ Clubs«. Dort gibt es Kaffee umsonst, Bücher und Zeitschriften und anregende Vorträge, um – wie wir heute sagen würden – bildungsfernen Schichten Wissen und Wissenschaft näherzubringen. Vor allem Arbeiter und Kleingewerbetreibende kommen hierher. Die Wallace-Brüder hören Tiraden, in denen gegen Privatbesitz und Religion gewettert wird. Hier erfährt Alfred auch von der damals ketzerischen Behauptung, alle Menschen seien gleich geboren und durch ihre Umwelt, insbesondere durch Bildung und Erziehung, beeinflussbar; eine Überzeugung, zu der er sich zeit seines Lebens bekennt. Diese Sicht wird damals insbesondere von dem britischen Sozialisten und Reformer Robert Owen und seinem Sohn Robert Dale Owen propagiert. Wallace schreibt später in seiner Autobiographie: »Ich habe Owen immer als meinen ersten Lehrer gesehen, dem ich Einblicke in die menschliche Natur verdanke und der mich durch das Labyrinth der mit der Gesellschaft befassten Wissenschaften führte.« Tatsächlich prägen Owens Ideen Wallace’ spätere Ansichten in sozialen und philosophischen Belangen; sie bestärken auch seine Skepsis in religiösen Dingen.
    Die wenigen Monate in London sind Alfreds erster Kontakt mit der rauen Wirklichkeit einer erschreckend schnell expandierenden Großstadt – und der nicht minder rauen Welt der Erwachsenen, die für viele vor allem bedeutet, sich das bisschen, was sie zum Leben brauchen, immerzu regelrecht erkämpfen zu müssen. Das kurze Londoner Intermezzo endet im Sommer 1837; der gerade einmal Vierzehnjährige folgt als Gehilfe seinem älteren Bruder William, der in Bedfordshire ein Landvermessungsbüro betreibt. Hier lernt der mathematisch talentierte Alfred die Grundbegriffe der Trigonometrie und das Handwerk der Landvermessung, mit dem er die kommenden Jahre sein Einkommen verdient. Dazu gehört natürlich auch das Kartenzeichnen, das er schnell beherrscht. Die mittels trigonometrischen Verfahrens praktizierte Anwendung der Mathematik begeistert Wallace, der Methoden schätzt, die ihm verlässlich Ergebnisse liefern; zugleich beginnt er, sich für Mechanik und Optik zu interessieren.
    In den kommenden acht

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