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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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von zehn Jahren wird Wallace an ständig wechselnden Orten im Westen Englands und in Südwales als Landvermesser arbeiten. Diese werden damals allerorts nicht nur wegen der aufkommenden Eisenbahnspekulation gebraucht, bei der mehr prospektive Trassen eingemessen, als jemals Strecken tatsächlich gebaut werden. Auch ein neues Besteuerungssystem für Landbesitz, vom britischen Parlament 1835 beschlossen, verlangt nach exakten Grundstücksdaten als Berechnungsgrundlage. Es ist, wie Wallace bald begreift, ein ungerechtes Pachtsystem, abhängig vom Grund und dessen Produktivität; es macht die Reichen reicher, denn je mehr die Pächter auf ihrem Land arbeiten und je besser der Boden, desto mehr Pacht müssen sie an diese abführen. Die neuen Gesetze führen auch dazu, dass Farmland und Ländereien aufgeteilt und alte gemeinschaftliche Weidegründe nun von den einfachen Bauern gepachtet werden müssen. Es ist, so fluchen viele, eine Form »legalisierten Raubes« von den Armen zugunsten der Reichen. Wallace registriert diese staatlich sanktionierte Ungleichverteilung aufmerksam; sie wird ihn in späteren Jahren noch viel beschäftigen.
    Zwischendurch, wenn sich keine Arbeit als Landvermesser findet, hält Wallace sich mit Gelegenheitsarbeit über Wasser, unter anderem als Aushilfe in dem kleinen Laden eines gewissen Mr Matthews in London. Doch sobald es geht, kehrt er wieder nach Wales zurück, wo er monatelang in der Nähe der Stadt Neath zuerst den Verlauf des Flusses für die Schifffahrt vermisst und anschließend Flächen entlang von dessen Mündung, wo Dockanlagen entstehen sollen. Schließlich begehren die Bauern im Südwesten der Inseln gegen das unfaire neue Pachtsystem der britischen Regierung auf; es kommt zum gewaltsam ausgetragenen Konflikt, bei dem die Armee einschreitet. Im Chaos des Aufstandes wird die weitere Landvermessung für Wochen und Monate nicht mehr möglich.
    Neath ist ein kleiner Ort, nördlich von Swansea an der Südküste von Wales gelegen; gar nicht weit weg von seinem Geburtsort Usk. Die Region profitiert vom Bergbau in den Tälern rund um Neath. Doch für die beiden Brüder Wallace wird es immer wieder schwer, ein Auskommen als Landvermesser zu finden. Durch die erzwungene Untätigkeit hat Alfred oft mehr freie Zeit zur Hand, als ihm anfangs lieb sein kann. So versucht er sich zum einen in einer Rolle, die wir heute – etwas übertrieben vielleicht – als politischen Journalisten bezeichnen würden. Unter dem Eindruck der Ereignisse schreibt er Ende 1843 einen Aufsatz über die »South Wales Farmer«; dieser wird zwar damals nicht publiziert, er dient Wallace aber als kleine Fingerübung und erster schriftstellerischer Versuch (den er erst sehr viel später in seiner Autobiographie veröffentlichen wird). Zum anderen entdeckt Wallace gleich mehrere Naturwissenschaften als Betätigung für sich, zuerst und jede auf ihre Weise durchaus naheliegend die Geologie, Botanik und Astronomie.
    Erste Anfänge als Naturforscher: Als Vermesser ist Wallace meist das ganze Jahr lang über Land unterwegs, arbeitet bei Sonnenschein und jedem Wind und Wetter im Freien. Er liebt diese Art des ungebundenen Lebens, das ihm seit seinen Kindertagen zur zweiten Natur geworden ist. »Es ist äußerst reizvoll, an einem strahlenden Sommertag kreuz und quer durch die offene Feldflur zu streifen und die Schönheit der Natur zu bewundern, die frische und reine Luft des Hochlandes zu atmen oder während der Mittagshitze an einem kleinen Bachlauf im Tal eine einfache Mahlzeit aus Brot und Käse zu genießen. Natürlich ist es weniger angenehm, an einem kalten Wintertag oben auf einer nackten Bergspitze, keine Hütte weit und breit, wenn Wind und Graupelschauer dich bis auf die Knochen auskühlen. Umso mehr aber liebt man dann die Abende. Wer den ganzen Tag im Haus ist, kann gar nicht ermessen, welches Vergnügen es dann bereitet, sich zum Abendessen zu setzen, begierig, alles auf dem Teller mit großem Heißhunger zu verspeisen.« So schildert Wallace seinen Alltag in einem Brief an seinen Freund George Silk in Hertford.
    Anfang der 1840er-Jahre, als Wallace vor allem in Wales arbeitet, beginnt er sich in seiner freien Zeit immer mehr für die Natur um ihn herum zu interessieren. Auf langen Spaziergängen über die Hochmoore und in den Bergen nimmt er erstmals bewusst die verschiedenen Oberflächenstrukturen der Erde wahr; und er will mehr über die Geologie seiner Heimat erfahren. In dieser Zeit, so haben Biographen

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