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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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– der hier immer noch erstaunlich breit ist – zwar ganz ähnlich gefärbte Schmetterlinge fängt; doch sind sie nun indigoblau mit deutlich verschiedener Zeichnung und gehören offenkundig einer neuen Art (Callithea leprieuri) an. Offenbar trennt der Fluss die beiden Formen der Schmetterlinge, sinniert er. Bereits früher, während der Expedition am Rio Tocantins, hat Wallace sich über die eigenartige geographische Verbreitung einiger Tiere gewundert. Am Oberlauf dieses Flusses sah er jeden Tag die knapp einen Meter großen, strahlend blauen Hyazinth-Aras (Anodorhynchus hyacinthinus), wenn sie in schöner Regelmäßigkeit morgens und abends hoch über dem Fluss flogen. Am Unterlauf des Tocantins sah er sie dagegen nur selten. »Was könnte der Grund sein?«, notiert Wallace; »wodurch wird die Grenze ihres Vorkommens derart exakt gezogen, obgleich sie als kräftige Flieger keine Grenzen kennen?« Solche Eigentümlichkeiten im Vorkommen einzelner Arten, die ihm fortan nicht mehr aus dem Kopf gehen, sind seine ersten und entscheidenden Beobachtungen zur großen Artenfrage.
    Wallace erlebt paradiesische Wochen, so wie er sich sein Amazonas-Abenteuer erträumt hat. Jeden Tag bricht er morgens nach dem Frühstück bei bestem Wetter zu Vogeljagd und Insektenfang auf, nimmt auf dem Rückweg ein erfrischendes Bad im Rio Tapajos, der dank seiner schnellen Strömung dort frei von Krokodilen ist. Es gibt Wassermelonen und andere frische Früchte wie Orangen und Ananas; dann Essen, anschließend das Versorgen des Tagesfangs und abends Treffen mit den wenigen anderen Europäern, die im Ort weilen. »Mir ging es rundum noch nie so gut«, schreibt Wallace.
    Mit dem Einsetzen der Regenzeit zieht er mit seinem Bruder Herbert im November weiter den Amazonas hinauf. Am 30. Dezember 1849 erreichen sie die Einmündung des Rio Negro, des nördlichen Zuflusses des Amazonas, und kurz dahinter das am östlichen Ufer gelegene Barra. Der Ort, heute als Manaus bekannt und eine Metropole im Urwald, hat damals kaum mehr als fünf- oder sechstausend Einwohner; dazu schlammige Straßen und kleine, mit roten Ziegeln gedeckte Häuser. Am »Encontro das Águas« fließt der Schwarzwasser führende Rio Negro von Norden her mit dem Weißwasser des Amazonas zusammen; noch lange bleiben die beiden Gewässer entlang einer magischen Linie für sich, ehe sie sich vereinen. Wallace, verwöhnt von Pará und Santarem, findet nur wenig Insekten oder Vögel und kann auch der Gesellschaft der Einheimischen, deren Leben aus Trinken und Spielen zu bestehen scheint, nicht viel abgewinnen. In Barra aber hört er zum ersten Mal von einem versteckt auf den Inseln im Fluss lebenden Vogel, vom mysteriösen »umbrella bird«, dem Schirmvogel Cephalopterus ornatus. Etwa so groß wie ein Rabe und von ähnlicher Farbe, ist er der größte Singvogel Südamerikas, wobei die Männchen deutlich größer als die Weibchen sind. Sein Markenzeichen ist ein auffälliger Federschopf auf dem Kopf. Weitaus häufiger als er zu sehen ist, hört man sein lautes Rufen durch den Wald.
    Während Herbert zurückbleibt, macht sich Wallace auf, den Rio Negro zu erkunden und den begehrten Vogel im Prachtgefieder zu suchen. Doch der Fluss führt jetzt Hochwasser; die Einheimischen, mit denen er sich hier kaum noch auf Portugiesisch verständigen kann, sind höchst unwillig, ihm ein Kanu zu überlassen oder sich gar mit ihm auf Expedition zu begeben. Unter Mühen gelangt er zu einer kleinen Ansiedlung, nicht mehr als einfachste Hütten drei Tagesreisen stromaufwärts gelegen, wo er sein Lager aufschlägt und einen Monat bleibt. Mithilfe einheimischer Jäger gelingt es ihm hier, immerhin 25 der Schirmvögel zu erlegen. Eines der Männchen, das sie erbeuten, wird nur verletzt; Wallace pflegt und füttert es tagelang, und so kann er beobachten, was das Tier mit seinem höchst eigenartigen Kopfschmuck macht. »Die Federn dieses Kopfschopfes können angelegt werden, sodass der Kamm kaum mehr zu sehen ist, oder werden aufgestellt und zu jeder Seite abgespreizt«, schildert Wallace später, »sie formen dann eine halbrunde oder halbovale Haube, die den ganzen Kopf bedeckt und sogar noch über die Schnabelspitze hinausragt.«
    Zurück in Barra verpacken Alfred und Herbert ihre Ausbeute in Kisten; im März 1850 geht die Fracht an Stevens. Mit dabei ist auch Wallace’ erste wissenschaftliche Arbeit, geschrieben und bestimmt zur Veröffentlichung in einem Fachjournal. Sein Thema: der Schirmvogel vom

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