Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
Mal eines der Treffen der Entomologischen Gesellschaft in London. Später wird er auch an den Treffen der Zoologischen Gesellschaft teilnehmen. In dem illustren Zirkel gelehrter Naturkundler Englands ist sein Name mittlerweile bestens bekannt; dafür haben die Verkäufe und Mitteilungen von seiner abenteuerlichen Amazonas-Reise gesorgt. Fortan wird man ihn regelmäßig in diesen Kreisen sehen, denen er als Gast angehört – nicht als Mitglied wohlgemerkt. Aber Wallace’ Status ändert sich merklich. Die clubartigen, zuvor strikt geschlossenen wissenschaftlichen Vereine öffnen sich in dieser Zeit ohnehin, und Stevens schleust Wallace hinein (so wie später auch Bates). Durch Stevens’ Vermittlung wurden viele naturkundlich Interessierte mit wertvollen Insekten, anderen Naturalien und Informationen aus Amazonien versorgt. Spätestens seit seiner Rückkehr unter spektakulären Umständen ist Wallace beinahe zu einer Art von Berühmtheit geworden; er erntet wohlwollende und ermunternde Kommentare, stets gemischt mit dem Bedauern über den Verlust seiner Sammlung.
Wallace beschließt, sich seinen geplanten Abhandlungen zu widmen; denen, die er nun noch erarbeiten kann. Er mietet ein Haus in der Upper Albany Street, nahe Regent’s Park, wo er mit seiner Mutter sowie Schwester Fanny und seinem Schwager wohnt, die aus Wales herüberkommen. Zum Zoologischen Garten und dem alten British Museum ist es nicht weit; auch Stevens’ Büro liegt um die Ecke, ebenso die Räume der naturkundlichen Gesellschaften, die ihm jetzt wichtig werden. Dort lernt er nicht nur andere Naturforscher kennen, darunter auch den jungen Zoologen und Anatomen Thomas Henry Huxley, von dessen Kenntnissen er beeindruckt ist und den er noch mehr bewundert, als er erstaunt erfährt, dass dieser zwei Jahre jünger als er selbst ist. In diesem Kreis ermutigt und ermuntert, macht sich Wallace selbst an die Arbeit. Wenn er schon von seiner Sammlung kaum etwas in den Händen hält, will er doch wenigstens einige Beobachtungen und Befunde vorweisen können. Zu etwas müssen die Monate und Jahre voller Gefahren, Entbehrungen und Anstrengungen in Amazonien doch gut gewesen sein. Gestützt auf seine Aufzeichnungen, die er von Bord der »Helen« retten konnte, und eine Reihe von Briefen, die er zurück nach England geschickt hatte, vor allem aber dank seines phänomenalen Gedächtnisses gelingt es Wallace, gleich mehrere naturkundliche Beiträge zu Papier zu bringen und in den einschlägigen Annalen der Wissenschaft zu veröffentlichen. Es geht darin um Affen und um Schmetterlinge – und um die Frage, wo einzelne Arten jeweils vorkommen.
Erste Einsichten – In gelehrten Kreisen: Zum ersten Mal trägt Wallace, der dabei ohne Zweifel hinreichend aufgeregt ist, im Dezember 1852 vor der Zoological Society eine eigene Abhandung vor. Sein Thema: die Affen vom Amazonas und ihr musterartiges Vorkommen entlang des großen Flusssystems. Er erlaubt sich darin erstmals versteckte Formulierungen, die widerspiegeln, worüber er jetzt immer häufiger nachdenkt: »Von der akkuraten Bestim mung der Verbreitung einer Tierart hängen viele interessante Fragen ab.« Und dann führt er einige dieser interessanten Fragen einzeln auf. »Sind nächstverwandte Arten jemals durch weite, zwischen ihnen liegende Landstriche getrennt? Welche physischen Ursachen begrenzen Arten und Gattungen?«
Dahinter zeigt sich, so meinen Wissenschaftshistoriker heute, was damals bereits in Wallace’ Kopf vorgeht. Sie haben ähnliche Hinweise auch in einer weiteren Abhandlung gefunden. Gut ein Jahr später, im November und Dezember 1853, trägt Wallace bei der Entomological Society in London seine Beobachtungen zu den Schmetterlingen Amazoniens vor. Bis heute liefert diese Arbeit eine wunderbare Zusammenfassung zur Ökologie und Verbreitung jener tropischen Insekten, »the glory of South American entomology, in which the Amazon Valley is particular rich«, wie Wallace schreibt. Ihn beschäftigen darin unter anderem die großen, wunderschönen Tagfalter aus der Familie der Heliconidae – der Passionsblumenfalter. Ihre Raupen ernähren sich von den Blättern, die erwachsenen Tiere vom Nektar der gleichnamigen Pflanzen. Von ihnen kennt man zu Wallace’ Zeiten sechzig oder siebzig Arten aus dem Amazonas-Becken, und bis heute sind sie eines der Steckenpferde der Evolutionsforscher. Wallace und Bates hatten sich bereits im Frühjahr 1850, als tagelange Regenfälle in Santarem am Amazonas sie zur
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