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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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vorlegt. Allerdings werden nur 250 Exemplare dieses schmalen Bändchens gedruckt. Wallace beschreibt darin ein Dutzend neuer Arten, unter anderem auch jene bereits erwähnte Piassava-Palme Leopoldinia piassaba, die er als Erster als Lieferant jener wichtigen Pflanzenfasern erkennt und auf deren nur begrenztes Vorkommen am Rio Negro er hinweist. Wo ihm Aufzeichnungen fehlen, ergänzt er aus dem Gedächtnis.
    Mit dem Ergebnis sind einige Experten, wie etwa Sir William Jackson Hooker, einflussreicher Direktor des Royal Botanic Garden in Kew nahe London, nicht ganz glücklich. Von Hooker bekommen Wallace und Bates wichtige Empfehlungsschreiben, als sie nach Südamerika aufbrechen. An ihn haben die beiden dann auch die ersten Belegstücke von Palmen – wenigstens einige Teile der Pflanzen – geschickt (einige befinden sich noch heute dort, obgleich sie lange Zeit völlig unbeachtet blieben; unverständlich, denn immerhin sind es die Einzigen aus dem Pflanzenreich von Wallace’ gesammelten Objekten, die überhaupt erhalten sind). Tatsächlich erweisen sich zwei Drittel der von Wallace als vermeintlich neu beschriebenen Palmen später nur mehr als Formen bereits beschriebener Arten. Doch geschenkt; denn das passiert den besten Naturkundlern. Dazu gehört auch Alexander von Humboldt, der zusammen mit Aimé Bonpland ebenfalls neue Palmenarten aus Südamerika beschrieben hat und in deren Fußstapfen sich Wallace am oberen Rio Negro und bei der Beschäftigung mit Palmen begibt.
    Tatsächlich erfuhr Humboldt durch die Indianer auch von der Piassava, als er bei Javita zwischen Orinoco und Rio Negro unterwegs war; aber es gelang ihm nicht, die Palme selbst zu finden. Wallace entdeckt, was Humboldt entging, und veröffentlicht die Beschreibung der Leopoldinia piassaba samt Zeichnung jetzt erstmals in seinem Palmenbuch. Doch jetzt schwingt sich William Hooker, der Wallace’ Buch in einem Magazinartikel bespricht, zum gnadenlosen Richter auf. Wallace stelle größere Autoritäten der Botanik infrage, als er selbst es sei, kritisiert Hooker in sarkastischem Ton. Doch bleibe er bedauerlicherweise Früchte und Blüten auch in diesem Fall schuldig; ohne diese indes seien Wallace’ Beschreibungen der Pflanzen kaum etwas wert. Das sitzt. Dabei weiß man doch inzwischen, welchen bedauerlichen Verlust Wallace auf der Rückreise aus Südamerika erlitt. Hooker aber ist noch nicht fertig. Er hoffe, so ätzt er weiter, dass bald andere Forscher am Amazonas Wallace’ Versäumnis nachholen. Touché. Und dann der finale Stoß: Wallace’ Buch sei eher etwas für am Zeichnen Interessierte denn geeignet für die Bibliothek eines Botanikers. Ein unfaires Urteil, betrachtet man das ganze Buch und Wallace’ Leistung. Aber es ist für Wallace auch eine Warnung, wie gern Wissenschaftler sich den kleinsten Mangel der Arbeiten anderer herausgreifen und dann wenig ausgewogen urteilen. Einmal mehr wird ihm schmerzlich bewusst, wie sehr ihm seine mühevoll gesammelten Naturalien fehlen. Sein Palmenbuch gerät bald in Vergessenheit; auch Wallace erwähnt es später kaum mehr. Nach ihm kommen andere Palmenforscher mit entsprechendem Material und präziseren Befunden.
    Ähnlich ergeht es ihm mit seinem Reisewerk, das Ende 1853 ebenfalls erscheint: »Narrative of Travels on the Amazon and Rio Negro«. Auch hier ist bereits jene Mischung aus Reise- und Forschungsbericht angelegt, mit der Wallace später aus dem malayischen Archipel berichten wird. Hier nun beschreibt er chronologisch, was er unterwegs am Amazonas sah und was ihm begegnete. Von dem Buch werden nur 750 Exemplare gedruckt; kein großer Erfolg, weder beim Verkauf noch was die Kommentare einiger Kritiker angeht. Darwin wird darüber sagen, er sei davon »etwas enttäuscht«, und dass es arm an Fakten sei. Auch dies sicher ein nicht ganz ungerechtfertigtes Urteil. Leider fehlt der Erstausgabe auch die geographisch so wichtige Karte vom Lauf des Rio Negro, die erst später fertig wird. Wallace selbst bezeichnet sein Reisewerk gegenüber seinem Freund George Silk als ein »absurdes Buch«, mit dem er später selbst nicht glücklich ist: absurd vielleicht, weil sein Anspruch noch zu groß ist, als dass er diesem schon gerecht werden kann.
    Dabei ist das Buch, obgleich oberflächlicher als später andere, dennoch durchaus lesbar. Wallace schildert darin anschaulich und authentisch seine Abenteuer am Amazonas; und wir können dabei verfolgen, wie er vom Naturaliensammler zum Naturforscher wird.

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