Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
schreibt und nach London schickt, in respektablen Journalen publiziert werden.
Während des Londoner Intermezzos erweist sich Stevens als der Türöffner für Wallace, nicht nur bei den wissenschaftlichen Gesellschaften. Jeder naturkundlich Interessierte kennt Stevens und verkehrt in der einen oder anderen Weise mit ihm. So dürfte es auch Stevens gewesen sein, der noch vor dessen Abreise einen besonderen Deal für Wallace einfädelt. Damals ist William Wilson Saunders, ein wohlhabender Versicherungsmakler mit einer Leidenschaft für Insektenkunde und Botanik, gerade dabei, eine umfangreiche Privatsammlung aufzubauen (die heute nicht mehr existiert, deren Teile es aber weit verstreut noch gibt). Saunders bietet Wallace an, für jedes Insekt, das dieser im malayischen Archipel fängt – mit Ausnahme der gewöhnlichen Käfer und Schmetterlinge, auf die sich bereits viele andere Sammler kapriziert haben –, »one shilling each« zu zahlen, gleichgültig ob Männchen oder Weibchen; und es dürfen gern auch zwei von jeder Art sein. So wenig das pro Tier sein mag, angesichts dessen, was Wallace sammeln wird, ist es ein kleines Vermögen. Vor allem aber sicherte es Wallace bereits vor Reiseantritt einen Abnehmer.
Erste Begegnung mit Charles Darwin: Eines Tages, wir wissen nicht genau, wann, wird Wallace im Naturhistorischen Museum in der Great Russell Street in London einem bereits da schon sehr bekannten Naturforscher vorgestellt. Es ist Charles Darwin. Ihr erstes Aufeinandertreffen hinterlässt bei beiden keinen bleibenden Eindruck. Darwin erwähnt es nicht einmal in seiner Autobiographie. Und Wallace, der in seinen Lebenserinnerungen einigen wichtigen Zeitgenossen ganze Kapitel widmet, schreibt zwar natürlich von Darwin; doch er beginnt dessen Würdigung erst mit ihrem zweiten persönlichen Treffen, das erst viele Jahre später stattfindet. Ihre erste Begegnung, zu der es wohl Ende 1853 oder zu Beginn des Jahres 1854 kommt, behandelt Wallace ebenso wenig wie übrigens auch ihren Briefwechsel in den entscheidenden Jahren 1857 und 1858, als er sich in der Inselwelt des Malayischen Archipels aufhält und Darwin vor die schwerste Entscheidung seines Lebens stellt. Doch wir eilen voraus.
Von ihrem kurzen Treffen in London, das offenbar nur wenige Minuten dauert, »in denen nichts von Bedeutung ausgetauscht wurde«, so Wallace, wissen wir überhaupt nur, weil er sich kurz vor seinem Tod dieser Begegnung erinnert. Darwin kommt in dieser Zeit, Ende 1853 und Anfang 1854, nur noch gelegentlich von seinem Landhaus in Downe in der Grafschaft Kent nach London und ins Britische Museum. Zu beschäftigt ist er mit dem Abschluss seiner Arbeit an den Rankenfüßern, kleinen sessilen Meereskrebsen, denen er eine große systematische Studie widmet.
Wallace selbst bereitet sich noch immer auf sein nächstes großes Abenteuer vor. Im Januar 1854 erhält er schließlich Order, sich umgehend auf ein Schiff zu begeben, das im Hafen von Portsmouth darauf wartet, nach Singapur abzusegeln. Doch das wird nach tage- und wochenlanger Verzögerung zwecks anderweitiger Verwendung abbeordert. Wieder muss Wallace bei Sir Roderick Murchison vorstellig werden. Und dem gelingt es endlich, ihm ein Ticket erster Klasse auf dem nächsten Postdampfer der Peninsular & Oriental Steam Navigation Company zu verschaffen, die gerade im Auftrag der britischen Admiralität ihren Dienst nach Ostasien und Australien ausbaut. Bereits nach kurzer Zeit, am 4. März 1854, geht ihr Dampfer »Euxine« von Southampton nach Singapur ab, mit Alfred Russel Wallace an Bord.
Endlich ist er unterwegs. Anderthalb Jahre, seit er vom Amazonas zurückkehrte, ist er an Bord eines Dampfers, der ihn diesmal auf die andere Seite des Globus bringen wird, ans Ende des Archipels – und zum Anfang der Evolutionsbiologie. In der Inselwelt zwischen Asien und Australien wird sein Leben eine höchst erstaunliche Wendung nehmen. Acht Jahre später soll er als gemachter Mann und einer der bekanntesten Naturforscher seiner Zeit zurückkehren. Dass es dazu kommt, ist letztlich – wie wohl immer im Leben – ein Produkt des allgegenwärtigen Zufalls. Geschichte kennt nur, was Geschichte ist, so sagt man. Deshalb ist die Katastrophe mit der »Helen« in unserer Geschichte so wichtig. Denn ohne den Verlust von Wallace’ Südamerika-Sammlung mitten im Atlantik hätten sich die Dinge anders entwickelt. Hätte nicht erst das Balsamöl und dann sein Schiff Feuer gefangen, wären seine Aufzeichnungen
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