Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
und Aufsammlungen, seine Naturalienexemplare vom Amazonas, erhalten geblieben, hätte er seine Notizen und Befunde besser und erfolgreicher in Büchern und Publikationen verwerten können. Wallace wäre vielleicht für den Rest seines Lebens zu Hause geblieben, wie das Darwin nach seiner Fahrt auf der »Beagle« getan hat, so wurde später spekuliert. Es wäre Wallace anders ergangen. Es wäre ihm etwas entgangen.
Erster Klasse in den Malayischen Archipel
(April–Oktober 1854)
An Bord gibt sich das britische Empire ein Stelldichein. Englische Offiziere und Kadetten auf dem Weg nach Indien, schottische Angestellte unterwegs nach Kalkutta, staatlich bestellte Übersetzer mit Ziel Goa und China, Geschäftsleute auf dem Weg nach Australien. Dazu der Rest der Welt, Spanier, ein Franzose und ein Portugiese, vor allem Holländer, die in ihre mit festem Griff gehaltene Überseekolonie von Java bis zu den Gewürzinseln streben. Mit ihnen vor allem wird Alfred Russel Wallace künftig zu tun haben.
Unterwegs auf dem P & O-Dampfer seiner Majestät der britischen Königin schildert Wallace in einem Brief an seinen Schulfreund George Silk, den er in seiner Autobiographie wiedergibt, ausführlich die bunte Gesellschaft an Bord der »Euxine«. Recht vergnüglich und interessant sei die Reise bisher, berichtet er. Ein paar Stunden Aufenthalt in Gibraltar, die Sierra Nevada im Süden Spaniens zieht vorbei, ein Tag auf Malta, dann hinüber zur anderen Küste des Mittelmeeres und Ankunft in Alexandria. Wer nach Asien damals nicht die längere, wenngleich kostengünstigere Passage um die Südspitze Afrikas nehmen will, dessen Route führt von hier über Land: von Alexandria nach Kairo und weiter nach Suez am Roten Meer. Für den Transport der Passagiere werden kleine zweirädrige, von jeweils vier Pferden gezogene Omnibusse eingesetzt, darin jeweils sechs Reisende. Wallace notiert in seinen Lebenserinnerungen, wie vor allem die Post auf diesem Weg über die Landenge in Ägypten transportiert wird; Jahre bevor die Briten dort eine Eisenbahnlinie bauen oder gar an den Suezkanal zu denken ist, wie wir ihn kennen.
Dieser Postweg spielt eine Schlüsselrolle in unserer Geschichte, da wichtige Briefe und Manuskripte zwischen Wallace und Darwin hier vorbeitransportiert werden – und uns noch die genauen Postlaufzeiten beschäftigen werden. So wollen wir uns kurz mit Wallace umsehen, der in Alexandria von Bord geht und auf Eseln zu kleinen Booten gebracht wird, die ihn und seine Mitreisenden einen Tag lang durch das Nildelta gen Süden schippern. Die Fahrt geht vorbei an der malerisch anmutenden Szenerie des oberen Nils, auf dem endlos viele Boote unterwegs sind; dann die Pyramiden, endlich zum Sonnenuntergang Kairo. Die Stadt, so Wallace, sei »sehr pittoresk und sehr dreckig«, zudem laut und voller Menschen. Am kommenden Morgen geht es mit jenen Pferde-Omnibussen weiter, eine Fahrt durch die Wüste – alle fünf Meilen werden die Pferde gewechselt, und so kommen die Reisenden alle drei Stunden zu einer Mahlzeit an einer komfortablen Raststelle. Entlang der gut ausgebauten Route sieht Wallace Hunderte Skelette von Kamelen am Straßenrand liegen – und ab und an einen Geier an den Kadavern. Kamele schleppen die schweren Güter, die Post und Pakete und alles Gepäck der P & O-Passagiere über die ägyptische Landenge. Eine endlose Kamelkarawane mit sechshundert Kisten Post ist allein bei Wallace’ Passage im März 1854 unterwegs. Wallace genießt den eintägigen Wüstenritt, der ihn gegen Mitternacht nach Suez bringt, »einen elenden kleinen Ort, mit einem winzigen, dunklen und dreckigen Basar«, erinnert er sich. Nachdem am nächsten Tag Post und Gepäck verladen sind, geht Wallace an Bord der »Bengal«, eines komfortablen P & O-Dampfers, größer und luxuriöser noch als der zuvor. Er erfreut sich, Sir Murchison sei Dank, am Komfort der ersten Klasse. Ein Stop in Aden am Ausgang des Roten Meeres, einer in Galle, dem alten holländischen Hafen im Süden Ceylons, dann via Penang durch die Straße von Malaka. Nach einer Reise von anderthalb Monaten erreicht Wallace am 20. April 1854 Singapur, Drehscheibe des Handels schon damals und das Sprungbrett Englands in Südostasien.
Vor ihm liegt eine Inselwelt, die sich knapp 6500 Kilometer bis nach Australien erstreckt – ein Gebiet, noch größer als von Küste zu Küste der breiteste Teil Südamerikas und unendlich reich an faszinierenden Tier- und Pflanzenarten. »Für mich begannen acht
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