Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
die allein auf Wallace zurückgehen.
Alles in allem fängt und schießt sich Wallace im Malayischen Archipel ein recht beachtliches Vermögen zusammen. Britische Wissenschaftshistoriker haben überschlägig ermittelt, dass Wallace allein für den Verkauf der Käfer und Schmetterlinge sowie anderer Insekten, die an das Britische Museum gehen, 750 Pfund erlöst haben dürfte. Dazu kommen noch jene anderen Insekten, für die William Wilson Saunders das Vorkaufsrecht hat, mit nochmals 500 Pfund. Und gar nicht eingerechnet sind dabei die Vögel und alle übrigen Wirbeltiere, vom Orang-Utan bis zum Paradiesvogel und Frosch. Ohne Zweifel: »In finanzieller Hinsicht waren meine acht Jahre im Archipel erfolgreich«, resümiert Wallace. Tatsächlich verfügt er in den ersten Jahren nach seiner Rückkehr über die stattliche Summe von 300 Pfund als regelmäßige Ausschüttung jener Anlagen, die Stevens für ihn aus den Verkaufserlösen tätigt. Da sind noch nicht jene 200 Pfund jährlich eingerechnet, mit denen Wallace aus dem schrittweisen Verkauf von Teilen seiner Privatsammlung rechnet. Und doch reicht es nicht; Wallace gerät Jahre nach seiner Rückkehr in Geldnöte, wie wir noch sehen werden.
Hatte sich Wallace vor seiner Reise noch in einschlägigen Werken kundig gemacht, welche Arten aus dem Archipel bereits bekannt sind, stellt er bald fest, dass beinahe alles, was er während seiner Expedition erbeutet, für die Wissenschaft neu ist – ein Füllhorn an geradezu verschwenderischer Vielfalt, von der man lange kaum etwas wusste. Wallace liefert das Material für nicht weniger als 1500 Insekten- und Vogelarten, die nach und nach beschrieben werden, die er aber erstmals entdeckt. Darunter sind einige so seltene Raritäten, dass sie nach ihm kaum jemals wieder gesichtet werden. Jene Riesenbiene von Bacian ist so ein Beispiel. Und von einem seltenen Schmetterling der Aru-Inseln kennen wir überhaupt nur drei Exemplare in allen Museumssammlungen der Welt, ebenso von einem Falter aus Timor. Allerdings meinen Fachleute heute, Wallace’ Material sei nicht immer in dem Umfang genutzt worden, wie das unmittelbar nach seiner Reise durch den Archipel möglich gewesen wäre. Viele von Wallace’ Stücken wandern nach dem Verkauf durch Stevens in private Sammlungen und anschließend oft durch viele Hände, ohne dass erkannt wird, dass es sich um bisher noch nicht beschriebene Arten handelt. Nicht nur ist das Füllhorn der Natur, aus dem er im indo-australischen Archipel schöpft, ganz enorm. Offenbar ist auch seine ungeheure Materialsammlung allzu umfangreich und unübersehbar, die er über die Jahre nach England zurückschickt. Dennoch liefert Wallace wesentliches Material für unzählige wissenschaftliche Abhandlungen; zuerst einmal für ihn selbst, aber dann auch für andere, bis heute. All dies macht die Wallace-Expedition durch den Malayischen Inselarchipel zur erfolgreichsten Ein-Mann-Unternehmung der Naturkunde überhaupt.
Wallace’ Expedition ist indes nicht nur die Erfolgsgeschichte eines eifrigen Sammlers; sie verwandelt ihn endgültig zum Naturkundler, ja sie lässt ihn zu einem der größten Naturforscher des viktorianischen Zeitalters werden. Wallace hat bereits am Amazonas ein Ziel und eine Mission; er sucht nach einer Lösung für die große Artenfrage. Was er dann während seines Londoner Zwischenspiels über die Amazonas-Affen und Tagfalter veröffentlicht, zeigt uns heute mehr als irgendeinem seiner Zeitgenossen, dass er dieses Ziel nicht aufgegeben hat, als er durch den Archipel reist. Doch erst hier wird er tatsächlich finden, wonach er sucht – eine Theorie der organismischen Evolution.
Dabei sind nicht nur die unzähligen neuen Schmetterlings- und Käferarten seiner asiatischen Sammlung an sich wichtig. Eine Schlüsselrolle kommt den Serien zu, die Wallace von den häufigeren dieser Arten sammelt; ganz gezielt, wo immer er ist, auf jeder der Inseln im riesigen Archipel, wo immer er sie finden kann. Für gewöhnlich versucht Wallace, wenigstens sechs Exemplare von jeder dieser Arten zu bekommen. Diese Dubletten verkaufen sich gut, weiß er als Naturaliensammler. Aber der Naturforscher in ihm erkennt so auch, welche ungeheure Vielgestaltigkeit und Variabilität es innerhalb jeder Art gibt, mit welchen feinen Nuancen die Natur spielt. Anschaulich führen seine Aufsammlungen ihm vor Augen, durch welche markanten Merkmale sich einerseits einzelne Arten voneinander trennen lassen; wie ähnlich sich andererseits
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