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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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Simunjon an den Sadong-Fluss, einige Kilometer östlich von Sarawak, wo er auch erstmals Orangs begegnet. Unter der Aufsicht eines britischen Ingenieurs bereiten chinesische Arbeiter hier den Bau eines Kohlebergwerks vor und schlagen dazu tiefe Schneisen in den Wald. Inzwischen geht auch die Regenzeit zu Ende, es wird trockener, und mit dem zunehmenden Sonnenschein wird der Insektenfang wieder ergiebiger. Wallace findet am Sadong reichlich Käfer, Schmetterlinge und Vögel. »Hunderte von Meilen im Umkreis nach allen Richtungen hin breitete sich ein prachtvoller Wald über Ebene und Berg, Fels und Sumpf aus.« Wieder aber verdankt Wallace seine reichsten Fänge den Rodungen. Für die Minen und für den Bau einer Eisenbahntrasse, die zu ihnen führen soll, werden Planken und Holzschwellen gebraucht. Das vermodernde Holz gefällter Bäume lockt zahllose Bockkäfer an, die sonnigen Freiflächen zudem Schmetterlinge, Bienen, Heuschrecken und Fliegen. Ein Fest erst für sie und dann auch den Naturforscher; aber als Folge eines Frevels, der langfristig jene Vielfalt an Arten zerstören wird, die ihn in den Archipel reisen ließ.
    Für Wallace bedeutet Vielfalt in erster Linie Verdienst. Nachdem er den chinesischen Arbeitern einen Cent pro gefundenen Käfer bietet, erhält er in vierzehn Tagen so viele wie zuvor in vier Monaten. Durchschnittlich 24 Neuzugänge pro Tag kann er in seinem Notizbuch verzeichnen und vermeldet als Rekord: 76 verschiedene Arten an nur einem Tag, darunter 34 unbekannte Spezies! Alle werden sorgsam präpariert. In sechs Wochen fängt er auf diese Weise, man glaubt es kaum, eintausend verschiedene Arten. »Von da an vermehrte sich ihre Zahl nicht mehr in so großem Maßstabe«, merkt er später nüchtern an. Nie wieder wird Wallace in so kurzer Zeit eine so reiche Sammlung zusammenbringen wie bei den Minen von Simunjon. Insgesamt erbeutet er hier zehntausend Insekten, darunter zweitausend verschiedene Arten, »auf kaum mehr als einer Quadratmeile Land gesammelt«. Und das, obgleich ihn eine Fußverletzung den Juli und halben August über erheblich behindert.
    Auf Käfer und Schmetterlinge ist Wallace gefasst; überrascht hat ihn aber ein später nach ihm benannter Frosch – der Wallace-Flugfrosch; »eines der merkwürdigsten und interessantesten Reptilien [tatsächlich ist es ein Amphibium], welches ich auf Borneo fand«. Einer der chinesischen Arbeiter bringt es ihm. »Er versicherte mir, dass er ihn in querer Richtung einen hohen Baum gleichsam fliegend herunterkommen gesehen hätte. Als ich ihn näher untersuchte, fand ich die Zehen sehr groß und bis zur äußersten Spitze behäutet, sodass sie ausgebreitet eine viel größere Oberfläche darboten als der Körper.« Wallace gibt eine lebhafte und anschauliche Schilderung und dazu noch eine Abbildung des hellgrünen, etwa zehn Zentimeter großen Tieres mit den hervorstehenden Augen. Im Nachlass seiner privaten Sammlung findet sich später eine Zeichnung von eigener Hand, die vor allem die Flughäute an den Zehen dieses eigenartigen Frosches sehr schön zeigt. Doch durch eine kuriose Volte der taxonomischen Geschichte wird just diese Froschart erst Jahrzehnte nach ihrer Entdeckung auch formal benannt. Das erste Exemplar, das man dazu verwendet (das sogenannte Typusexemplar), wird erst von einem gewissen Charles Hose gesammelt, einem britischen Kolonialbeamten mit zoologischem Interesse (nach dem später ein Gebirge und verschiedene Tierarten in Sarawak den Namen tragen). Der von Wallace zuerst entdeckte und von Hose dann nochmals gesammelte Flugfrosch wird schließlich im Jahre 1895 von dem britischen (aber aus Belgien stammenden) Zoologen und überaus fleißigen Artenbeschreiber George Albert Boulenger als Rhacophorus nigropalmatus bezeichnet. Damit steht der Name fest, Wallace bleibt der Nachruhm. Die auffälligen gelb-schwarzen Flughäute zwischen den Zehen – denen der Frosch seinen lateinischen Artnamen verdankt (schwarz an ihrer Basis) – geben den Naturkundlern lange Rätsel auf; vor allem, dass sie damit fliegen können, wird bezweifelt. Heute wissen wir, dass Flugfrösche über die Malayische Halbinsel verbreitet sind, vom Süden Thailands bis nach Sumatra und Borneo. Wie alle Ruderfrösche leben sie auf Bäumen und besitzen als Kletterhilfe verbreitete Haftscheiben an den Finger- und Zehenenden, die an Ersteren größer sind als an Letzteren. Tatsächlich kann der Wallace-Flugfrosch mithilfe seiner Flughäute bis zu zwanzig Meter weit

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