Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
Vom Netzwerk:
Kopfjäger, seien es »sehr nette, einfache Leute«; die älteren Männer berichteten ihm noch voller Stolz, wie viele Köpfe sie erworben hätten; sie glaubten, wenn man es ihnen weiterhin erlauben würde, ein paar Köpfe zu jagen, würden die Ernten besser.
    Zurück in Sarawak verbringt Wallace Weihnachten wieder mit James Brooke. Er hat reiche Beute zusammengesammelt, allein 31 Säuger aus 19 Arten und 110 Vögel, die sich heute noch im Londoner Naturhistorischen Museum nachweisen lassen. Doch der Clou gelingt ihm in Peninjauh, etwa 30 Kilometer von Sarawak entfernt am Bukit Serambu; hier in den Bergen hat der »weiße Raja« ein kleines Haus, in kühler, frischer Luft und umgeben von dichtem Regenwald. Wallace erholt sich einige Tage, erfreut sich gemeinsam mit Brooke an einem nahen Quellbach, idyllisch unter einem überhängenden Felsen gelegen, von den Dayaks versorgt mit frischen Mangosteen und süßlich-säuerlichen Lansat-Früchten. Und nie wieder wird Wallace so erfolgreich beim Sammeln speziell von Nachtfaltern sein, wie in den Bergen von Peninjauh. Am besten sei es während des Regens, berichtet er, aber nur, wenn der Mond durch Wolken verhangen ist. Dann lockt die hellweiße Wand der Veranda des Hauses die Motten unter das lang heruntergezogene Dach. An vier sehr feuchten, dunklen Nächten gehen Wallace so 800 Nachtfalter ins Netz. Borneo wird auch aus diesem Grund ein großer Erfolg für ihn. Insgesamt wird er Stevens von 5000 Insektenarten und 25000 Einzelstücken berichten, darunter viele, wenn nicht die meisten, neue Arten. Dass er auch 50 Farnarten sammelt, die er an den Royal Botanic Gardens in Kew gibt, und ausführlich die Kannenpflanzen Nepenthes untersucht, geht da beinahe unter.
    Ende Januar 1856 verlässt Wallace Sarawak, um für die nächsten fünf Jahre durch den östlichen Archipel zu den Gewürzinseln, Aru und Neuguinea zu reisen. Borneo aber ist der Anfang, der Auftakt, der alles Weitere auslöst. Was Wallace spätestens seit Sarawak über die Entwicklung von Arten weiß, ist den aufmerksamen Lesern seines Aufsatzes nicht verborgen geblieben. Spätestens jetzt wird auch Charles Darwin in England berechtigterweise unruhig. So ist es zum einen durchaus kein Zufall, dass Darwin sich – nur wenige Monate nachdem Wallace Borneo verlässt – endlich daranmacht, das Manuskript seines großen Artenbuches zu verfassen. Zum anderen ist Wallace nach Sarawak keineswegs mehr jener unbekannte Wanderer, durch den Darwin dann angeblich erst Jahre später, im Mai oder Juni 1858, unvermittelt und mitten in der Arbeit aufgeschreckt wird, wie bislang oft legendenhaft kolportiert wurde.
    Profitiert Darwin vom Sarawak-Aufsatz?: Über die Gründe, die Darwin schließlich veranlassen, mit seiner Abstammungs- und Selektionstheorie an die Öffentlichkeit zu gehen, sind mittlerweile derart viele Abhandlungen, Artikel und Bücher verfasst worden, dass sie in der Bibliothek eines einigermaßen darüber orientierten Wissenschaftshistorikers Regalborde zu füllen vermögen. In Darwins Schriften selbst jedoch finden wir über die unmittelbar vorangegangenen Vorgänge auffällig wenig. Beinahe ist man versucht zu denken, dass er es durchaus mit einer gewissen Beharrlichkeit vermied, seine eigenen Erinnerungen an diese Beweggründe offenzulegen. Wie dem auch sei: Ohne Zweifel spielt der erste Aufsatz von Alfred Russel Wallace aus Sarawak für ihn eine zentrale Rolle, nachdem dieser im September 1855 in den »Annals and Magazine of Natural History« erscheint. Was wir sicher wissen: Darwin hat dieses Journal abonniert und darin sogar selbst einige Arbeiten publiziert. Was wir nicht mit letzter Gewissheit klären können (aber gern wüssten!), ist, wann Darwin tatsächlich zum ersten Mal den in Sarawak entstandenen Aufsatz von Wallace liest. Dass es dazu unter Historikern unterschiedliche Ansichten gibt, ist aus zwei Gründen überraschend: zum einen wegen der unbestritten großen Bedeutung des Sarawak-Aufsatzes, und zum anderen wenn wir sehen, was weiter geschieht.
    Ernst Mayr hat in seiner Geschichte zur Entstehung des Evolutionsgedankens spekuliert, dass Darwin auf diesen tatsächlich wegbereitenden Aufsatz von Wallace erst mit zwei Jahren Verzögerung reagiert; das wäre also im Jahre 1857, »und auch nur deshalb, weil Wallace selbst ihm einen Brief schrieb«. Zwar gibt es diese Korrespondenz wirklich und ein erster Brief von Wallace aus dem Archipel erreicht Darwin Ende April 1857 in England (wir kommen darauf

Weitere Kostenlose Bücher