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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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bis 91 seine Überlegungen zum Menschen und seiner Abstammung. Nach hundert Seiten endet das Arten-Notizbuch. Mit seiner Ankunft auf Bali im Mai 1856 beginnt Wallace ein neues Notizbuch; das Erste von vier seiner heute noch in den Archiven erhaltenen Reisetagebücher.
    Von Wallace’ Plan für ein Arten-Buch wissen wir auch aus seinen Briefen, insbesondere einem, den er an Henry Walter Bates schreibt. Dieser hat – immer noch am Amazonas unterwegs und daher mit einiger Verzögerung – Wallace’ Aufsatz aus Sarawak gelesen. Am 19. November 1856 schreibt ihm Bates dazu (übrigens recht überraschend, denn es ist das erste Mal, seit sich ihre Wege 1850 am Amazonas getrennt haben): »Der Theorie stimme ich durchaus zu, und wie Du weißt, hatte ich selbst ganz ähnliche Überlegungen.« Bates und Wallace sind nicht erst seit der Reise am Amazonas, sondern seit ihrer Zeit in Leicester und der Lektüre von Chambers’ »Vestiges« überzeugt von der Idee veränderlicher Arten und ihrer fortwährenden Entwicklung, statt noch dem Glauben an unzählige göttliche Schöpfungsakte anzuhängen. Am 4. Januar 1858 endlich antwortet Wallace ihm. Das, was er bisher ausgearbeitet und veröffentlicht habe, sei »nur mehr die Ankündigung einer Theorie, nicht bereits ihre Darlegung. Ich habe einen Plan ausgearbeitet und schon Teile eines Werkes verfasst, das sich diesem Gegenstand widmet.« Zugleich erklärt er, warum es dieses Werk braucht. Denn für andere Leute als etwa Bates, die sich mit einer »succession of species«, wie Wallace hier die Entstehung der Arten nennt, bisher nicht näher auseinandergesetzt hätten, sei all das im Sarawak-Aufsatz Gesagte sicher noch nicht für sich verständlich genug. Es brauche ein großes Arten-Buch und als überzeugter Evolutionist will Wallace es schreiben. Der Wallace-Forscher Lewis McKinney ist sich sicher, dass es »On the Organic Law of Change« gehießen hätte. Schließlich beginnen beinahe sämtliche wichtige und richtungsweisende Arbeiten von Wallace aus dieser Zeit mit »On the …«; erst über die Palmen, die Schmetterlinge, die Affen am Amazonas, jetzt über Falter und Orangs – und eben über den Ursprung von Arten. Was Wallace nicht wissen kann: Darwins späteres Werk »On the Origin of Species« ist zu diesem Zeitpunkt auch für diesen noch in weiter Ferne; der Mann in Downe züchtet derweil Tauben und pflegt seine Orchideen.
    Im Norden Borneos – von Kopfjägern und Motten: Lange war für Wallace alles Vorspiel. Jetzt führt sein Weg zur Entdeckung der Evolution ihn mehr oder weniger geradlinig vom Sarawak-Aufsatz über sein Arten-Notizbuch bis zum Plan einer längeren Abhandlung über die Entstehung von Arten. Beständig sammelt Wallace dazu in den kommenden Monaten und Jahren weitere Notizen und Hinweise. Dazu liefert ihm die umgebende Natur tagtäglich neue Beobachtungen und Befunde. »Als die nasse Jahreszeit nahte, beschloss ich, nach Sarawak zurückzukehren; ich schickte alle meine Sammlungen mit Charles Allen zur See hin, während ich selbst bis zu den Quellen des Sadong-Flusses gehen wollte und von da wieder herab durch das Sarawak-Tal. Da die Tour etwas beschwerlich war, nahm ich so wenig Gepäck wie nur irgend möglich und nur einen Diener mit.« Anfangs mit dem Boot, später zu Fuß dringt Wallace ins Innere und in die Bergregion nahe der heutigen Grenze zu Indonesien vor. Hier lebt er einige Zeit bei den Dayaks – oder Iban, wie sie heute heißen (wofür wieder Charles Hose verantwortlich ist) – in ihren typischen Langhäusern, in denen die ganze Dorfgemeinschaft zusammenkommt. Zu ihren Gebräuchen gehört immer noch die Kopfjagd und sie schmücken das Dach ihrer Häuser mit den Schädeln getöteter Feinde; abends schläft Wallace ein mit dem Blick hinauf unters Dach, wo im Rauch des häuslichen Feuers ein Dutzend Köpfe über ihm hängen. Der weiße Mann selbst ist hier die große Attraktion. Wallace berichtet, wie ihm oft nicht nur Dutzende Dayaks, sondern das ganze Dorf zuschaut, was immer er tut; auch beim Essen, was ihn aber nach kurzer Zeit nicht einmal mehr stört. Die Fahrt entlang des Sadong-Flusses erinnert ihn an seine Kanu-Expeditionen am Amazonas. Über seine neuen Freunde berichtet er in einem Brief: »Je mehr ich von den unzivilisierten Völkern sehe, desto besser denke ich von der menschlichen Natur im Ganzen, und die wesentlichen Unterschiede zwischen zivilisierten und wilden Menschen scheinen zu verschwinden.« Obgleich einst gefürchtete

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