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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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schöne grüne Augen mit ein paar braunen Sprenkeln darin. Ihre Figur ist auffallend hübsch, sie hat lange, sehr gut geformte Beine und ist außerordentlich schlank. Meist trägt sie Jeans, Turnschuhe, ein Sweatshirt. Sie ist weder mondän noch besonders gestylt, noch fängt sie unwillkürlich zu kichern, zu kokettieren oder zu flirten an, wenn ein Mann in ihre Nähe kommt, so wie manche Frauen das tun. Sie vermittelt eher das Gefühl, es mit einer praktischen, bodenständigen Person zu tun zu haben. Man kann sich gut vorstellen, wie sie beherzt in das Maul eines Rottweilers greift, um seine Zähne zu untersuchen, oder einer Kuh hilft, ihr Kalb zur Welt zu bringen. Sie wirkt nicht im mindesten zimperlich. Dabei aber nicht unweiblich. Im Gegenteil, ich empfinde sie stets als ausgesprochen feminin.
    Wo also liegt ihr Reiz? Es ist schwer, dies in Worte zu fassen. Vielleicht sind es jene Eigenschaften, die ich eingangs beschrieb. Ihre Unabhängigkeit, ihre Eigenständigkeit. Beides strahlt sie schon in ihrer Haltung aus, wenn sie nur einfach einen
Weg entlanggeht. In der Art, wie sie den Kopf hält. Wie sie spricht, wie sie lacht. Es ist nicht so, daß ich mit einer solchen Frau leben könnte, niemals. Aber es ist die Art Frau, die ich gern beobachte. Ich habe auch Elena gern beobachtet. Nicht in erster Linie weil sie so schön ist. Sondern weil sie interessant ist.
    Evelin glaubt bis heute, sie sei die Stifterin der Ehe zwischen Alexander und Jessica, aber in Wahrheit habe ich die Fäden gezogen. Evelin kam mit dem Vorschlag, man müsse Jessica zum Dank für ihr nächtliches Eingreifen zum Essen einladen, und ich stimmte zu. Ich meinte nur, man solle noch jemanden dazubitten, es sei doch langweilig, wenn nur wir drei um den Tisch herum säßen. Ich steuerte Evelin so lange, bis sie auf Alexander verfiel, der damals gerade in Scheidung lebte und dankbar war für alles, was ihn ein wenig ablenkte. Elena war mit Ricarda aufs Land gezogen und hatte ihn in seinem Haus allein zurückgelassen, wo er nun Abend für Abend saß, die Wände anstarrte und sich mit all den Fehlern beschäftigte, die er in seinem Leben gemacht hatte. Evelin fand, es sei eine gute Tat, ihm einen seiner düsteren Samstagabende zu versüßen, und ich war voller Spannung, ob sich meine Theorie, daß Jessica eine zweite Elena ist, bewahrheiten würde: Irgend etwas mußte zwischen ihr und Alexander passieren.
    Ich hatte mich nicht geirrt, wenn ich auch, ehrlich gesagt, nicht geglaubt hatte, daß aus den beiden derart schnell ein Paar werden würde. Es war, als habe Alexander nur auf sie gewartet. Und sie schien sich tatsächlich aufrichtig in ihn zu verlieben. So sehr, daß sie schon kurz nach Alexanders Scheidung heirateten. Was mich zu meiner eingangs gestellten Frage zurückbringt: Weshalb heiraten Frauen wie Jessica und Elena einen Mann wie Alexander?
    Alexander ist ein Weichei, angepaßt bis zur Selbstaufgabe, ein Chamäleon, das blitzschnell die Farbe seiner Umgebung annimmt, um nur ja nicht aufzufallen. Bevor er seine Meinung sagt, checkt er ab, wie die Meinung der Mehrheit in seiner Umgebung
ist, und übernimmt diese dann. Man kann mit ihm nicht streiten, nicht diskutieren. Man kann sich nicht reiben an ihm. Er ist wie ein Stück weicher, dehnbarer Gummi. Selbst wenn man hineinschlägt, spürt man keinen Widerstand. Der Gummi macht jede Bewegung mit.
    Er sieht sehr gut aus, das ist nicht zu bestreiten. Groß und schlank, angegraute Haare, schöne, helle Augen, die immer müde, immer melancholisch dreinblicken. Ein sehr sensibles Gesicht. Ja, das ist es vielleicht, man braucht eine Weile, bis man merkt, daß er ein Weichei ist. Zunächst würde man ihn mit den Attributen sensibel, melancholisch belegen. Was etwas anderes ist als schwach, was aber meist schwierig ist in der Abgrenzung. Starke Frauen - und sowohl bei Jessica als auch bei Elena handelt es sich ganz zweifelsfrei um starke Frauen - mögen einen Beschützerinstinkt gegenüber einem solchen Mann entwickeln, irgendeine mütterliche Ader wird angesprochen. Sie wollen die Ursache seiner Melancholie ergründen, sie ahnen Geheimnisse hinter seinen müden Augen, fühlen sich hingezogen zu seiner Ausstrahlung von Verständnis und Tiefgründigkeit. Irgendwann merken sie, daß sie in einer Gummimasse graben, die ihnen immer wieder durch die Finger gleitet. Dann kämpfen sie eine Weile, dann resignieren sie. So wie Elena. Sie hat ihn zweifellos geliebt. Aber nicht mehr ertragen.
    Es wird

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