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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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eine Entrümpelungsfirma kommen lassen. Ihnen den Schlüssel in die Hand drücken, weggehen, wiederkommen und ein leeres Haus vorfinden. Es wäre das einfachste gewesen …«
    Der Kellner brachte den Wein und zwei Speisekarten. Leon führte sein Glas mit einer mechanischen Bewegung zum Mund.
    »Aber dann brachte ich es nicht fertig. Ich brachte es nicht fertig, alles, was mir von ihnen geblieben ist, Fremden zu überlassen. Ich hatte das Gefühl, es ihnen schuldig zu sein … selbst alles zu sichten, anzufassen. Mich davon zu verabschieden.«
    »Ich verstehe das«, sagte Jessica. Es erschien ihr sinnlos, noch einmal mit Evelin anzufangen. Leon war in einer entsetzlichen psychischen Verfassung. Sie hatte geglaubt, er sei noch immer voller Wut wegen Phillip Bowen, dem vermeintlich Schuldigen, und allein deswegen würde er alles daransetzen, für Evelin zu kämpfen. Aber seit Sophies Tod hatte er sich verändert. Es ging
ihm nicht mehr um Gerechtigkeit, nicht darum, den Täter zu überführen, den Menschen hinter Gittern zu wissen, der ihm die ganze Familie ausgelöscht hatte. Es war wahrscheinlich so, wie er gesagt hatte: Er brauchte seine Kraft, um sich nicht aufzugeben. Der Schlag war zu schwer gewesen. Er konnte nicht weiter sehen als bis zum Abend eines jeden Tages. Konnte keinen anderen Menschen wahrnehmen als sich selbst. Er versuchte, einen Alptraum zu überleben. Von ihnen allen war er am schwersten getroffen worden.
    »Hast du schon einen Käufer für das Haus?« fragte sie, bemüht, das Gespräch auf eine sachliche Ebene zu ziehen.
    Er nickte. »Einige Interessenten. Es wird da keine Probleme geben.«
    »Du hast nie überlegt, Stanbury statt dessen zu verkaufen?«
    »Vorerst - nein. In dem Haus hier in München würde ich ohnehin nicht mehr leben wollen, und insofern macht es Sinn, mir mit diesem Verkauf die schlimmsten Schwierigkeiten vom Hals zu schaffen. Stanbury ist ein Rückhalt.«
    »Stanbury kostet auch Geld.«
    Er drehte sein Glas hin und her. Am Ringfinger der rechten Hand trug er noch immer seinen Ehering. »Ich weiß. Aber es würde mir zu schnell gehen. Stanbury ist so sehr ein Teil von Patricia gewesen. So sehr ein Teil von uns allen. Vielleicht will ich einfach noch eine Zeitlang daran festhalten.«
    Sie schwiegen beide, hingen eigenen Gedanken nach. Draußen verdämmerte langsam ein warmer Maitag. Der Sommer drängte jetzt mit aller Macht heran. Aber es würde ein anderer Sommer sein, es würde nie wieder einen geben, wie sie ihn gekannt hatten.
    Der Kellner näherte sich dem Tisch.
    »Haben Sie gewählt?« fragte er.
    Leon zuckte zusammen. »Ich möchte nichts essen, danke«, sagte er. Jessica hatte ebenfalls keinen Hunger, aber sie wollte den Kellner nicht völlig verärgern, und so bestellte sie einen Salat
und etwas Pizzabrot. Der Kellner zog die Augenbrauen hoch, notierte die Wünsche und verschwand.
    »Es tut mir leid, daß ich nicht zu Alexanders Beerdigung gekommen bin«, sagte Leon, »das wollte ich dir die ganze Zeit schon sagen. Ich hatte nicht die Kraft.«
    »Meine Eltern waren da«, sagte Jessica. »Ricarda ist nicht gekommen, aber Elena hatte deswegen angerufen. Ricarda redet immer noch fast kein Wort und liegt die ganze Zeit nur im Bett. Sie ist offenbar völlig traumatisiert.«
    Er lächelte bitter. »Ich hätte lieber ein traumatisiertes Kind als gar kein Kind. Es war nicht alles Gold bei uns, weiß Gott nicht, aber trotz allem waren wir eine Familie …« Er schwieg einen Moment und fuhr dann fort: »Ist es nicht verrückt? Nach Ereignissen wie diesem plagen einen die Schuldgefühle. Weil man selbst überlebt hat? Weil man sich zu denen, die es getroffen hat, nicht immer richtig verhalten hat und Kränkungen und Versäumnisse nie wiedergutmachen kann. Geht es dir auch so?« Er wartete ihre Antwort nicht ab.
    »Ich wollte mir keine Vorwürfe machen«, sagte er, »ich wollte mir diese sinnlose Qual wenigstens nicht antun, aber dann kommen doch immer wieder Bilder … von früher, weißt du. Damals, als Patricia plötzlich schwanger wurde mit Diane. Mein Gott, sie war achtzehn. Ich war siebenundzwanzig, machte gerade mein Referendariat. Wir mußten heiraten …«
    »Ihr hättet sicher auch so geheiratet. Nur etwas später.«
    Er sah sie nicht an, schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hätte Patricia nie geheiratet. Sie war damals … sehr attraktiv. Sehr jung. Mitreißend in ihrer lebendigen, energischen Art. Aber auch anstrengend. Sie hat mich immer überfordert. Ständig sagte sie:

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