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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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wenn Bowen nicht jedes einzelne deutsche Wort verstehen konnte.« Er machte eine Pause.
    »Eindeutig wofür?« fragte Jessica. Sie begriff nicht, worauf Norman hinauswollte. Dann sah sie Leons Gesicht und wußte, daß er verstand.
    »Leon …?« fragte sie hilflos.
    Norman fixierte Leon scharf. »Es stimmt, nicht wahr, Mr.
Roth? Mrs. Burkhard lebte in Todesangst vor ihrem Mann. Seit Jahren schon vermutlich. Seit Jahren wurde sie von ihm auf jede nur vorstellbare Weise gequält und mißhandelt, und es ist durchaus denkbar, daß sie nur noch einen Ausweg sah.«
    In Jessicas Ohren begann es zu rauschen. Das konnte nicht wahr sein. Es durfte nicht wahr sein, daß so etwas in ihrer aller Mitte geschehen war, und keiner hatte etwas gemerkt .
    »Aber«, sagte sie mit einem Mund, der sich plötzlich so trocken anfühlte, als sei er mit Watte gefüllt, »aber … warum dann die anderen? Mein … mein Mann, Patricia und …«
    Sie mochte sich täuschen, aber es glomm etwas wie Verachtung in Normans Augen.
    »Vielleicht weil nach ihrem Gefühl Mitwisser auch Mittäter sind. Solche, die wegschauen und den Mund halten. Mr. Roth? Sie haben es gewußt. Und die anderen auch. Aber keiner hat je etwas gesagt. Geschweige denn unternommen.«
    Leon sah sehr unbehaglich drein.
    »Nun …«, begann er.
    »Leon!« Jessicas Stimme klang beschwörend. »Stimmt das? Ihr habt das gewußt? Alexander hat es gewußt?«
    Leon wich ihrem Blick aus. Er betrachtete Barney so eindringlich, als habe er nie zuvor einen schlafenden Hund gesehen.
    »Herrgott«, sagte er plötzlich, zugleich wütend und hilflos, »ja, wir haben es gewußt, verdammt! Du etwa nicht?«
    Sie schluckte trocken und schüttelte den Kopf.
    Leon hob beide Arme. »Was hätten wir schon tun können?« fragte er.
    Weder Superintendent Norman noch Jessica gaben ihm eine Antwort.

    10
    Sophie starb am späten Abend dieses 25. April.
    Sie hatte das Bewußtsein nicht mehr erlangt.
    Es hatte keine Möglichkeit gegeben, sie zu befragen.

Dritter Teil

Jessica, Dokument V von Timotheus Burkhard
    Was hat eine Frau wie Jessica bewogen, einen Mann wie Alexander zu heiraten?
    Genau diese Frage hat mich bereits einmal in einem anderen Zusammenhang beschäftigt: Was hat eine Frau wie Elena bewogen, einen Mann wie Alexander zu heiraten?
    Jessica und Elena sind äußerlich völlig verschieden, aber in ihrem Wesen finden sich eine Menge frappierender Übereinstimmungen. Beide sind unabhängig, eigenständig, willensstark und souverän. Frauen, die gern in einer Partnerschaft leben, die aber die Partnerschaft nicht brauchen, um leben zu können. Das unterscheidet sie deutlich von Patricia und Evelin. Für Patricia ist die Ehe ein Statussymbol, an dem sie selbst dann eisern festhält, wenn innerhalb dieser Ehe nichts mehr dem nach außen getragenen Bild entspricht. Und Evelin kann allein nicht existieren. Sie wäre ein Blatt im Wind ohne den Mann an ihrer Seite, der ihr sagt, was sie zu tun oder zu lassen hat.
    Jessica. Ich lernte sie kennen, als sie gerade unseren Schäferhund eingeschläfert hatte. Es war mitten in der Nacht, und Evelin hatte keinen anderen Arzt erreichen können. Der Zustand des Hundes war dramatisch, es schien fraglich, ob man die Tierklinik noch würde erreichen können. Zudem hätte dies den Hund verängstigt und zusätzlich gestreßt. Evelin hatte sich der jungen Tierärztin entsonnen, die ein paar Häuser weiter wohnte, und die Liebe zu ihrem Hund hatte sie über ihren Schatten springen
und dort zu nachtschlafender Zeit anrufen lassen, was für Evelins Verhältnisse außergewöhnlich skrupellos war, zumal sie noch nie Jessicas Praxis aufgesucht hatte.
    Jedenfalls kam Jessica, schläferte das Tier ein und spielte anschließend noch Seelentröster bei Evelin, die mal wieder mit dem Schicksal haderte. Ich kam irgendwann so gegen drei Uhr morgens ins Wohnzimmer und traf die beiden Frauen bei einer Flasche Sekt an. Evelin erzählte Geschichten aus dem Leben des Hundes, der tot neben dem Sofa auf einer Decke lag. Ich hatte Jessica zuvor schon ein paarmal im Vorbeifahren in ihrem Vorgarten gesehen, aber ich hatte noch nie mit ihr gesprochen. Sie war mir aufgefallen, und nun, da sie unmittelbar vor mir saß, versuchte ich zu ergründen, womit sie meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.
    Sie ist attraktiv, aber nicht in der Weise, daß man automatisch den Kopf nach ihr drehen würde, wenn sie über die Straße geht. Sie hat braune, mittellange Haare, ein blasses, schmales Gesicht,

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