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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Nähe, die zwischen ihnen entstanden war.
    Jessica faßte sich als erste.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Elena. Ich fliege morgen
nach England. Nach Stanbury. Den Flug habe ich vorhin gebucht, ich muß morgen früh nur noch ein paar Sachen packen. Ich …«
    »Weshalb …?«
    »Das erkläre ich Ihnen später. Jedenfalls könnte ich mich um Ricarda kümmern. Ich könnte herausfinden, ob sie wirklich bei Keith ist, und vielleicht gelingt es mir auch, mit ihr zu reden. Auf jeden Fall wissen wir dann, woran wir sind.«
    »Meinen Sie nicht, daß ich als Mutter selbst zu ihr müßte?«
    »Das steht Ihnen natürlich frei. Allerdings scheinen Sie im Moment nicht den besten Draht zu ihr zu haben. Und Sie sind emotionaler in der Angelegenheit. Machen ihr vielleicht Vorwürfe, setzen sie unter Druck.« Jessica hielt inne. »Ich will Sie keinesfalls ausschalten, Elena«, sagte sie dann behutsam, »aber ich muß sowieso nach Yorkshire, und ich kann mit mehr Sachlichkeit agieren. Es ist nur ein Angebot.«
    Elenas Miene verriet, daß sie hastig hin und her überlegte, alles Für und Wider abwog.
    »Sie haben recht«, sagte sie schließlich, »es ist besser, Sie sehen allein nach ihr. Wenn Sie das wirklich für mich tun …«
    »Selbstverständlich. Ich habe nur eine Bitte: Darf ich meinen Hund bei Ihnen lassen?«
    4
    Es war noch gar nicht so spät - kurz vor halb elf am Abend -, aber Ricarda war hundemüde. Zutiefst erschöpft und trotz der warmen Luft im Inneren kalt und verfroren.
    Du bist lange unterwegs, sagte sie sich, kein Wunder, daß du schlappmachst.
    Sie hatte Hunger, aber sie hatte kein Geld. Genauer gesagt: Das bißchen, das sie noch hatte, mußte für die Fahrkarte nach
Leeds oder Bradford reichen. Und dann brauchte sie noch etwas für den Bus nach Stanbury. Vielleicht mußte sie auch mehrere Busse nehmen, ein paarmal umsteigen, sie hatte keine Ahnung. So umständlich war sie noch nie dorthin gereist.
    Trotzdem war sie glücklich. Oder vielleicht nicht direkt glücklich, aber sie spürte erste Anzeichen einer Erleichterung darüber, daß sie eine Entscheidung gefällt hatte. Daß sie sich endlich wieder bewegen konnte. Daß sie ihren eigenen Weg gewählt hatte.
    Am Ende des Wegs würde Keith stehen. Am Morgen hatte sie noch versucht, ihn anzurufen, aber niemand war ans Telefon gegangen. Dann hatte sie festgestellt, daß der Akku ihres Handys fast leer war, aber es war nicht die Zeit geblieben, es noch einmal ans Stromnetz zu hängen. Sie hatte es noch einmal von unterwegs probiert, in Frankfurt, als sie dort am Flughafen saß, aber noch während es drüben in England klingelte, war das Netz zusammengebrochen. Nach der Landung in London-Stansted hatte sie nach einem öffentlichen Telefon gesucht, aber nur solche gefunden, für die man eine Karte benötigte. Und jetzt, hier an der Victoria Station, probierte sie es schon gar nicht mehr. Es war ohnehin zu spät, Farmer gingen früh schlafen, und sie mochte nicht als erstes in ihrer neuen Familie dadurch auffallen, daß sie alle nachts aus dem Bett klingelte. Zwischen ihr und Keith war alles klar. Sie kam etwas früher als erwartet, aber zwei Wochen hin oder her - welche Rolle spielte das?
    Sie würde vor der Tür stehen, und er würde sie in die Arme nehmen, und ihr gemeinsames Leben würde beginnen. Und weiter mochte sie nicht denken.
    Zu einer anderen Zeit hätte sie die prächtige viktorianische Kulisse der Victoria Station wahrscheinlich fasziniert, die Säulen, das hoch gewölbte Dach, die bunten Mosaiksteine in den Wänden, aber an diesem späten Abend war sie zu entkräftet, um Bilder aufnehmen und verarbeiten zu können. Die Reise war für sie in erster Linie ein Problem des Geldes gewesen. Ihre ersparten zweihundert Pfund waren damals nach der abgebrochenen
Flucht in Keiths Auto zurückgeblieben, und obwohl sie sicher war, daß er sie nicht angerührt hatte, hatte er sie doch auch nicht an sie überwiesen oder ihr zugeschickt. Sie war gezwungen gewesen, Geld von Elena zu leihen - sie nannte es ganz bewußt leihen , weil sie ihr die entsprechende Summe selbstverständlich zurückgeben würde -, aber sie hatte so wenig Geld wie möglich aus dem Schreibtisch ihrer Mutter nehmen wollen. Der mit Abstand billigste Flug ging von Frankfurt nach London-Stansted, also hatte sie diesen gebucht, aber das hatte bedeutet, daß sie, kaum war Elena morgens aus dem Haus gewesen, eine Odyssee mit Bussen und Bahnen hatte antreten müssen, um rechtzeitig in Frankfurt zu sein.

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