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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Verhältnis hatte sein dürfen.

    »Ich nehme an«, sagte Jessica, »diese Frau wurde Patricias Großmutter.«
    Phillip nickte. »Sie hieß auch Patricia. Lange Zeit muß sie übrigens gedacht haben, es bei meinem Vater mit einem Franzosen zu tun zu haben, denn er lebte ja unter einem entsprechenden Namen und mit falschen Papieren. Das war für sie natürlich eine sehr gefährliche Situation, aber um wie vieles noch gefährlicher für ihn - davon hatte sie keine Ahnung. Anfangs hat er über sie noch Informationen erhalten, die wichtig für den Widerstand waren, und diese wohl auch benutzt, aber je intensiver die Beziehung wurde, desto weniger war er natürlich in der Lage, die Frau, die er liebte, auszuspionieren. Zu Beginn des Jahres 1944 offenbarte er sich ihr.«
    »Vermutlich ein ziemlicher Schock für sie.«
    »Das ist anzunehmen. Trotzdem blieben die beiden zusammen. In einer sehr gefahrvollen Zeit, jeder einem anderen Regime dienend, den Zusammenbruch bereits vor Augen … Ich habe oft darüber nachgedacht, wie eng sie dies aneinandergeschmiedet haben muß. Patricia weiß sicher mehr über das alles. Vielleicht kennt sie bestimmte Episoden, weiß etwas über Momente, in denen alles zu Ende schien, über durchwachte, atemlose Nächte, über Augenblicke, in denen nur das Glück die beiden rettete … Ich würde gern einmal mit ihr darüber sprechen. Aber da werde ich wahrscheinlich abblitzen, wie Sie ja andeuteten.«
    »Ich fürchte, Sie haben wenig Chancen«, meinte Jessica unbehaglich. »Patricia empfindet Sie als jemanden, der ihr etwas wegnehmen will. Damit sind Sie in ihren Augen ein Feind.«
    »Wir sind verwandt!«
    »Das sagen Sie .«
    Er seufzte. »Entschuldigen Sie, ich habe Sie gelangweilt«, sagte er unvermittelt. »Diese alte Geschichte kann für Sie kaum interessant sein. Es ist mir ein solches Bedürfnis, über meinen Vater zu sprechen, daß ich immer wieder vergesse, wie wenig anregend das für andere Menschen sein muß.«

    »Das stimmt nicht. Ich habe Ihnen sehr gern zugehört. Vielleicht … vielleicht reden wir ein anderes Mal weiter.« Sie war auf einmal nervös. Wie viele Stunden war sie schon fort von daheim? Würde Alexander sich nicht Sorgen machen? Gerade heute, an einem Tag, der so unerfreulich begonnen hatte.
    »Ich muß nach Hause«, sagte sie.
    Er lächelte. »Schlechtes Gewissen?«
    »Nein!« Sie ärgerte sich, weil sie wirklich so etwas wie ein schlechtes Gewissen verspürte. »Ich kann sprechen, mit wem ich will, oder? Aber wir haben zur Zeit ein paar Probleme, mein Mann und ich, und da …« Sie ärgerte sich schon wieder. Schließlich mußte sie Phillip Bowen gegenüber keineswegs ihren Wunsch rechtfertigen, jetzt den Heimweg anzutreten. »Auf jeden Fall wird es Zeit«, sagte sie. »Auf Wiedersehen, Phillip!«
    »Auf Wiedersehen, Jessica.«
    Sie ging davon, Barney im eifrigen Galopp vor ihr her, und sie drehte sich nicht mehr um.
    Die ganze Zeit aber spürte sie Phillips Blick im Nacken.
    15
    Ein gedrückter, ein niedergeschlagener Tag. Nichts war in Ordnung, und in steigender Verzweiflung fragte sich Jessica, weshalb das außer ihr niemand zu bemerken schien.
    Ricarda war verschwunden. Offenbar direkt nach dem Gespräch mit ihrem Vater. Sie hatte nicht gefrühstückt, was auch nicht zu erwarten gewesen war, aber als sie zum Mittagessen nicht erschien, ging Alexander hinauf in ihr Zimmer und kehrte grau im Gesicht zurück.
    »Sie ist weg«, sagte er.
    Jessica, die abgehetzt und verschwitzt im letzten Moment zurückgekehrt war und mit ungewaschenen Händen und zerzausten
Haaren unter Patricias mißbilligenden Blicken auf ihren Stuhl am Eßtisch rutschte, versuchte die Situation zu retten: »Vielleicht ist sie im Garten. Oder macht einen Spaziergang.«
    »Das glaubst du doch selbst nicht!« schnaubte Patricia.
    »Ich hatte ihr ausdrücklich gesagt, daß sie zu den Mahlzeiten da sein soll«, sagte Alexander.
    Jessica schaute ihn an.
    Mach dich nicht so fertig, sagte ihr Blick, es geschieht nichts Schlimmes, wirklich nicht! Aber er wandte sich ab, und sie begriff, daß er sich von ihr verraten fühlte. Sie hätte nicht weggehen dürfen am Vormittag. Und vielleicht noch mehr als das: Er hatte erwartet, daß sie das Drama mit ihm teilte. Daß sie mit ihm redete, überlegte. Sich engagierte. In seinen Augen hatte sie ihn verlassen, sich für nicht zuständig erklärt, die Verantwortung abgelehnt. Sie hatte ihm deutlich gemacht, daß es sich um seine , nicht um ihre Tochter handelte.
    Er

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