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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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solche Angst zu haben wie vor echten Problemen, die dann auf sie zukommen könnten. In der Ehe von Leon und Patricia schien es zu kriseln, nach dem, was Ricarda gehört hatte, und Jessica zweifelte nicht an ihrer Aussage. Trotzdem wurde die heile Familie mit einer Beharrlichkeit demonstriert, die vermutlich sogar Patricia selbst gelegentlich glauben ließ, alles sei in Ordnung.
    Irgendwie war Elena mit dieser Welt, die ihrem Mann soviel
bedeutete, nicht mehr zurechtgekommen. Alexander sagte immer, Elena habe die Schwierigkeiten mit den Freunden nur vorgeschoben; in Wahrheit habe es einfach zwischen ihnen beiden nicht mehr gestimmt. Jessica hatte seine Aussage nie angezweifelt. Nun war sie nicht mehr sicher. Zwischen Elena und Alexander mochte es nicht mehr gestimmt haben, weil Elena an der Verlogenheit, die sie umgab, zu ersticken meinte.
    Ich darf nicht an diesen Punkt kommen, sagte sie sich, aber das Schlimme war, daß sie das Problem nun sah, daß sie es spürte und es nie wieder würde verdrängen können. Sie konnte sich nicht mehr einreden, alles sei in Ordnung.
    Ohne nachzudenken, schlug sie den Weg ein, der zu dem Bach führte, in dem sie Barney gefunden hatte, und irgendwann später fragte sie sich einmal, ob dies Zufall oder doch ein unbewußtes Wollen gewesen war.
    Phillip saß diesmal nicht auf dem Hügel im Gras, dazu war es zu naß. Sie entdeckte ihn ein Stück weiter unten, nah am Ufer des Bachs. Hier lag ein umgestürzter Baumstamm; Phillip saß rittlings darauf wie auf einem Pferderücken und verknotete Grashalme. Er hatte schon eine beachtliche Kette zustande gebracht.
    Halb und halb erwartete sie, er werde einfach aufstehen und gehen, wenn sie sich ihm näherte, aber sie hatte so sehr das Bedürfnis, sich noch einmal bei ihm zu entschuldigen, daß sie es dennoch riskierte.
    »Phillip«, sagte sie, als sie dicht hinter ihm stand, und er schien kaum überrascht, als er sich umdrehte. Vielleicht hatte er sie kommen hören.
    Er sagte nichts, ging aber auch nicht weg, und so setzte sie sich ihm gegenüber, ebenfalls rittlings, auf den Baumstamm und sah ihn an.
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte sie. »Meine Bemerkung neulich war völlig unmöglich. Mir ist ganz klar, daß Sie sehr gekränkt sein müssen. Ich hoffe, Sie verzeihen mir.«
    Er reichte ihr die Kette aus Grashalmen. »Hier. Ich schenke sie
Ihnen. Ich verschenke immer Ketten aus Grashalmen, wenn ich jemandem verzeihe.«
    Sie war selber erstaunt, wie tief erleichtert sie sich fühlte. Sie hielt die Kette mit beiden Händen. »Danke. Ich bin… es hat mich sehr belastet. Jetzt geht es mir besser.«
    Er streichelte Barney, der sich an seinem Bein aufgerichtet und ihn erwartungsvoll mit der Schnauze angestupst hatte. »Ich habe den Eindruck, er ist schon größer geworden in den wenigen Tagen. «
    »Er frißt wie ein Verrückter«, sagte Jessica, »aber er muß ja auch irgendwie in seine Pfoten hineinwachsen.«
    Barney drehte sich um und rannte hinter einer dicken, brummenden Hummel her. Phillip fuhr fort, Grashalme zu verknoten.
    »Damit Sie sich nicht wieder überrumpelt fühlen«, sagte er. »Ich werde morgen früh nach Stanbury House kommen und Patricia um ein Gespräch bitten. Ich bin in den letzten Tagen viel in der Gegend herumgelaufen und habe nachgedacht. Ich bin zu dem sicheren Schluß gekommen, daß ich nicht aufgeben werde. Patricia wird mich nicht mehr loswerden.«
    »Sie wird nicht mit Ihnen reden, Phillip. Und alle anderen sind ebenfalls angewiesen, es nicht zu tun.«
    Er lächelte. »Dann sollten Sie vorsichtig sein, Jessica. Sie brechen gerade die Vorschrift. Man könnte Sie der Kollaboration mit dem Feind beschuldigen!«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich versuche eigentlich eher, mich aus einem Krieg herauszuhalten.«
    »Sie meinen, es wird Krieg geben?«
    »Patricia wird nichts von dem anerkennen, was Sie sagen. Sie wird Sie ignorieren. Das heißt, daß Sie härtere Geschütze werden auffahren müssen - und das könnte schon in einer Art Krieg enden.«
    »Ich werde eine Exhumierung beantragen. Eine DNA-Analyse wird Klarheit bringen.«
    »Das wird ein langer juristischer Weg, Phillip, fürchte ich. Patricia
als die legitime Enkelin von Kevin McGowan wird alles tun, eine Exhumierung zu verhindern, und sie hat sicher bessere Karten als Sie. Ich weiß nicht, ob Sie …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende, weil sie fürchtete, sich schon wieder in einer Taktlosigkeit zu verfangen, aber Phillip wußte, was sie hatte sagen wollen.

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