Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens
sein. Das beweist noch nicht das mindeste.«
»Und wenn es stimmt? Wenn es wirklich stimmt? Wenn er Kevin McGowans Sohn ist?«
»Dann ist das zumindest nicht deine Sache«, sagte Tim, »im Prinzip geht auch das dann nur ihn und Patricia etwas an.«
Damit hatte er recht, und so erwiderte sie nichts. Sie hatte das Gefühl, daß er auf eine unangenehme Art versucht hatte, sie einzuschüchtern. Zusammen mit allem anderen, was an diesem Tag schon geschehen war, machte es in ihr den Wunsch, auszubrechen und diesen Ferienort hinter sich zu lassen, immer lebendiger.
Keith Mallory lag auf dem Sofa in seiner Scheune, rauchte eine Zigarette und starrte durch die schmutzigtrübe Fensterscheibe hinaus in den dunkelblauen Himmel. Ein kälteres Blau als in den Tagen zuvor. Die Luft war auch merklich kühler geworden, klarer und frischer. Egal. Das Wetter war ihm sowieso meist gleichgültig. Er war froh, wenn er hier, an diesem geheimen Ort, sein
konnte. Weit weg von seinem Vater, weit weg von all den Anforderungen, mit denen ihn das Leben konfrontierte und denen er sich nicht gewachsen fühlte.
Ich müßte mal die Fenster putzen, dachte er und blies den Rauch in kleinen Kringeln aus.
Sein Vater hatte ihn am Morgen wieder fertiggemacht. Fast hatte er es schon erwartet. Der Alte hatte zu lange bereits ruhig gehalten, das verhieß nie etwas Gutes. Er konnte es immer nur über einen begrenzten Zeitraum vermeiden, dem ungeliebten Sohn klarzumachen, was er von ihm hielt. Heute früh hatte er Keith abgepaßt, als dieser gerade das Haus verlassen wollte, und ihn gefragt, wie er sich denn die kommende Woche so vorstelle.
»Ich frage keinesfalls, wie du dir dein Leben vorstellst, nein, das wäre ja nicht nett von mir, dich mit einer so schwierigen Frage zu belästigen, nicht wahr? Fangen wir es doch in kleinen Schritten an. Die nächste Woche. Einfach nur die nächste Woche. Möchtest du sie vergammeln wie all die vielen, vielen Wochen davor, oder hast du eine Idee von irgend etwas Sinnvollem, was du tun könntest?«
Natürlich hatte sein Vater gewußt, daß es keine Idee gab. Keith hatte ihn angesehen und sich gefragt, wann sein Vater begonnen hatte, ihn zu hassen. Ein gutes Verhältnis hatten sie nie gehabt, aber ein Haßverhältnis hätte man es nicht nennen können. Früher nicht. Heute schon.
»Ich habe keine Lehrstelle«, sagte Keith, »also kann ich auch nichts tun.«
Greg Mallory nickte, scheinbar nachdenklich und so, als überlege er sich tatsächlich etwas zu der Antwort seines Sohnes. Er war ein gutaussehender Mann, das stellte Keith wieder einmal fest. Stattlich, kräftig, mit einer hohen, intelligenten Stirn. Sein Vater hatte den Hof schon besessen, und dessen Vater und dessen Vater davor … Eine endlose Kette von Mallorys, die in Yorkshire Schafe gezüchtet hatten. Mit einem Erfolg, der die jeweilige
Familie satt machte, jedoch keine Möglichkeit bot, ein bißchen Geld beiseite zu legen und sich etwas Außergewöhnliches zu leisten: einen Urlaub etwa oder eine moderne Küche. Kein Mallory war je verreist, und Keiths Mutter wirtschaftete in derselben Küche, in der schon Keiths Urgroßmutter gearbeitet hatte, und als einzige neue Errungenschaft gab es einen Kühlschrank und einen Gasherd. Man hatte inzwischen Elektrizität in dem alten, steinernen Haus, und ein Bad mit Toilette. Das war Ende der sechziger Jahre entstanden. Davor hatte es ein Bretterhäuschen schräg über den Hof gegeben.
Keith hatte schon manchmal überlegt, ob sein Vater vielleicht gern aus der vorgezeichneten Kette ausgebrochen wäre. Mit seinem Aussehen und seinem Verstand hätte man ihn sich auch in einem anderen Beruf und in einer Großstadt vorstellen können. Als Geschäftsmann, Leiter einer Bankfiliale oder Chef irgendeines Handwerksbetriebs. Greg Mallory hätte die Befähigung zu Höherem gehabt, davon war Keith überzeugt. War es lediglich Pflichtbewußtsein gewesen, was ihn hier gehalten hatte? Hatte er sich einer Verantwortung, die ihm von vielen Generationen vorher übertragen worden war, nicht entziehen können? Und war er deshalb so voller Wut auf einen Sohn, der den Ausbruch anstrebte und entschlossen schien, sich von diesem Vorhaben nicht abbringen zu lassen?
»Du hast keine Lehrstelle, soso«, sagte sein Vater nun, »was war das noch mal für eine Lehrstelle, die du angestrebt hast?«
»Stukkateur«, sagte Keith. Als ob der Alte das nicht wüßte! »Ich möchte Stukkateur werden.«
»Stukkateur. Richtig. Gipser könnte man
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