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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Augen erwachte Leben. »Das kannst du nicht verstehen. Das wirst du nie verstehen!«
    »Ich kann diesen Fanatismus nicht begreifen. Worum geht es dir? Um Geld? Verkaufen kannst du den Kasten sowieso nicht, solange diese Patricia Roth nicht mitspielt. Du mußt dich bloß an den Unterhaltskosten beteiligen, und die sind bei diesen alten Gemäuern ziemlich hoch. Du wirst keinen Gewinn aus der Sache ziehen, du wirst statt dessen horrende Gerichtskosten zahlen, die dich …« Sie brach ab, als sie die Wut in seinen Zügen erkannte.
    »Es geht nicht um Geld«, sagte sie leise.
    »Nein, in der Tat. Es geht in der Tat nicht um Geld. Es geht um vieles mehr. Und deshalb wird mich diese Hexe auch nicht mehr los. Sie kann sich aufspielen und rumschreien und mich rausschmeißen, aber irgendwann, das sage ich dir«, sein Gesicht kam nah an ihres heran, und unwillkürlich wich sie zurück, »irgendwann marschiere ich offiziell und mit Fug und Recht durch die Tür dort, und sie kann es nicht verhindern.«
    Seine Hände krampften sich um das Bierglas. Er schwitzte stark.
    Er ist wirklich besessen, dachte Geraldine.
    »Du kommst deinem Vater durch das Haus auch nicht näher«, sagte sie.
    Er lachte. Es klang kalt und höhnisch. »Was verstehst du schon davon? Die behütete Geraldine, schön bürgerlich mit Vater und Mutter aufgewachsen. In einer kleinen, heilen Welt. Du hast ja keine Ahnung, was es heißt, keinen Vater zu haben, und wenn du dann plötzlich doch einen hast, stellt sich heraus, daß er ein Riesenarschloch war. Aber trotzdem ist er mein Vater. Verdammt! « Er schlug mit einer Faust auf den Tisch. » Er ist mein Vater! Und ich will meinen Vater haben! «
    Er hatte sehr laut gesprochen. Das picklige Mädchen, das hinter
dem Tresen seine Fingernägel reinigte, zuckte zusammen. Geraldine winkte ihr zu.
    »Ich hätte auch gern ein Bier!« Ihre Stimme klang piepsig. Sie räusperte sich.
    »Phillip, ich kann eines nicht verstehen«, sagte sie, entschlossen, sich mit ihm nicht auf ein Streitgespräch über Sinn und Unsinn seines Stanbury-Plans einzulassen, da sie dies angesichts seiner fanatischen Entschlossenheit nur verlieren konnte. »Ich kann nicht verstehen, weshalb du nicht heiraten willst. Gut, du hast jetzt dieses … dieses Projekt. Aber das schließt doch zwischen uns beiden nichts aus. Ich meine …« Verzweifelt suchte sie nach Argumenten, die ihn überzeugen würden, wußte dabei jedoch im Innersten, daß nichts ihn berühren würde. »Ich will Kinder«, sagte sie, »ich will eine Familie.«
    Er zeichnete ein schiefes Herz auf sein beschlagenes Bierglas. »Und ein Häuschen im Grünen und einen Hund und einen Gartenzwerg«, fügte er ironisch hinzu. Mit einer fast aggressiven Bewegung verwischte er das Herz.
    »Dafür bin ich nicht der richtige Mann«, sagte er, »vergiß es.«
    »Willst du denn immer allein bleiben?«
    »Ich war bereits verheiratet. Es war die größte Scheiße.«
    »Du warst mit einer Fixerin verheiratet! Was hast du denn von einer solchen Ehe erwartet? Eine friedliche Idylle?«
    »Ich habe Sheila geliebt«, sagte er, »und es trotzdem nicht mit ihr geschafft. Dich hingegen …«
    Die Kälte in ihrem Innern verstärkte sich. Sie wußte, was er meinte. Er hatte es noch nie ausgesprochen, und doch war ihr in diesem Moment klar, daß sie es immer gewußt hatte.
    »Mich hingegen«, griff sie seinen angefangenen Satz auf, »liebst du nicht einmal.«
    Die Kellnerin brachte das Bier. Als sie es abstellte, schwappte der Schaum über und lief an der Außenseite des Glases hinab. Geraldine fing ihn mit dem Finger auf. Ihre Hand war taub. Sie konnte den Schaum nicht fühlen.

    »Nein«, sagte Phillip, »dich liebe ich nicht einmal.«
    Es wunderte sie, daß sie überhaupt noch sprechen konnte, während hier, in diesem unwirtlichen Gastraum irgendwo in Yorkshire, ihr Lebenstraum zerbrach und die langen, traurigen letzten Jahre sich als eine sinnlose Investition entpuppten. Es roch nach Bier. Für immer würde sie diese Minuten mit dem Geruch von Bier in Verbindung bringen, und mit dem Bild eines pickligen Mädchens, das mit Hingabe seine Fingernägel auskratzte.
    »Findest du nicht«, fragte sie, »daß du mir das früher hättest sagen müssen?«
    »Ich dachte immer, das sei ohnehin klar«, antwortete Phillip.
    20
    Als Jessica durch die Halle ging, klingelte das Telefon.
    Die Gruppe hatte sich zerstreut nach dem unangenehmen Auftritt zwischen Ricarda und Patricia, jeder ging wieder seiner Wege. Alexander war

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