Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
im Schlafzimmer verschwunden. Jessica hatte ein paar Minuten zögernd vor der verschlossenen Tür gestanden. Sie hatte mit ihm sprechen wollen, zugleich aber gewußt, daß sie nicht den Mut haben würde zu sagen, was sie tatsächlich sagen wollte.
    Ich habe mitbekommen, daß du heute morgen mit Elena telefoniert hast. Warum lügst du mich an? Und was hattest du mit ihr zu besprechen, was du mit mir nicht besprechen kannst?
    Wovor habe ich Angst, fragte sie sich, davor, daß er sich in dumme Ausreden flüchtet? Oder davor, daß er mir die Wahrheit sagt? Oder wäre einfach eines so schlimm wie das andere?
    Da sie sich nicht entschließen konnte anzuklopfen, stieg sie die Treppe zu den Kinderzimmern hinauf, verharrte aber auch dort auf halber Höhe. Sie hatte ein so starkes Bedürfnis, Ricarda
in den Arm zu nehmen, ihr zu sagen, daß sie zu ihr stand und daß Patricia sich unmöglich benommen hatte, aber auch das wagte sie nicht, aus Angst vor der schroffen Zurückweisung, die dies mit sich bringen konnte.
    Sie kehrte um.
    Wir sind eine richtig offene, glückliche kleine Familie, dachte sie, ohne daß es ihr gelungen wäre, diesen Gedanken mit einem Lächeln, und sei es zynisch, zu begleiten.
    Sie hörte den Apparat läuten, als sie schon wieder unten war, und meldete sich gleich.
    »Jessica Wahlberg.«
    »Elena Wahlberg«, sagte eine Stimme vom anderen Ende der Leitung. »Guten Tag, Jessica.«
    »Guten Tag.«
    »Ich wollte Ricarda sprechen«, sagte Elena, »wissen Sie, ich mache mir ein wenig Sorgen. Sonst ruft sie mich hin und wieder an, wenn sie für längere Zeit verreist. Aber in diesen Ferien hat sie sich überhaupt noch nicht gemeldet; ich hoffe doch nicht, daß irgend etwas nicht stimmt.«
    Sie will mir auch nicht sagen, daß Alexander mit ihr gesprochen hat, dachte Jessica, und daß sie ganz allein deswegen anruft.
    Sie beschloß, Elena keinesfalls das Gefühl zu gönnen, sie und Alexander hätten Geheimnisse voreinander.
    »Alexander hat ja heute früh mit Ihnen telefoniert«, sagte sie, »und Ihnen sicher von den Problemen erzählt.«
    Sie merkte, daß Elena stutzte. Offenbar hatte sie tatsächlich nicht damit gerechnet, daß Jessica Bescheid wußte.
    »Ja«, meinte sie dann, »Ricarda hat wohl einen Freund? Und verhält sich ziemlich widerborstig.«
    »Mein Gott«, sagte Jessica heftig, »ich würde mich an ihrer Stelle auch so verhalten! Sie hat sich in einen Jungen verknallt und will möglichst viel Zeit mit ihm verbringen. Ich halte das für vollkommen normal. Aber bei einigen Leuten hier hat sie damit
eine erstaunlich heftige Hysterie ausgelöst, was vermutlich daran liegt, daß …« Sie brach ab. Sie wollte bei Elena nicht über Alexanders Freunde herziehen.
    Aber Elena hatte genau verstanden, was sie sagen wollte. Sie lachte. »Was daran liegt, daß jede Form individuellen Verhaltens in diesem Kreis bekämpft wird«, sagte sie. »Ricarda hat keine Lust, mit Patricias Kindern auf irgendwelchen Ponys im Kreis zu zockeln oder abends mit allen anderen vor dem Kamin zu sitzen und sich anzuöden. Und das macht sie natürlich hochgradig verdächtig! «
    »Ich hole mal gerade Ricarda ans Telefon«, sagte Jessica rasch. Sie bemerkte Patricia, die oben auf der Galerie aufgetaucht war.
    »Patricia!« rief sie. »Hol doch bitte Ricarda ans Telefon!«
    Patricia stieg die Treppe hinauf. »Sie ist nicht in ihrem Zimmer! « rief sie gleich darauf.
    O nein, dachte Jessica müde, hoffentlich ist sie nicht abgehauen!
    »Sie ist im Moment nicht da«, sagte sie ins Telefon, »aber ich werde ihr sagen, sie soll Sie zurückrufen.«
    »Wenn sie mag«, sagte Elena, »ich will nicht zusätzlichen Druck auf sie ausüben.« Sie machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu: »Ich bin froh, daß Sie so denken wie ich, Jessica. Dadurch weiß ich, daß Ricarda wenigstens eine vernünftige Person um sich hat.« Dann verabschiedete sie sich und legte auf, noch ehe Jessica etwas hatte sagen können.
    Komisch, dachte sie, daß Patricia nicht schon wieder einen Zirkus aufführt, weil Ricarda nicht in ihrem Zimmer ist.
    Aber von oben kam kein Laut.
    Sie ging ins Eßzimmer und schaute aus dem Fenster. Diane und Sophie spielten Federball im Garten. Tim saß auf einem kleinen Mäuerchen und las. Etwas abseits entdeckte sie auch Ricarda, die auf einer Bank kauerte, tief in ihren übergroßen Wollpullover gekuschelt, ganz in Gedanken versunken. Ihr Gesicht sah ungewöhnlich blaß und spitz aus. Jessica fiel ein, daß sie schon seit
Tagen zu

Weitere Kostenlose Bücher