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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Wochen hatte sie von einem Angebot berichtet, das man ihr gemacht hatte, die Mitarbeit in einer renommierten Kanzlei.
    »Natürlich weiß ich noch nicht, ob etwas daraus wird«, hatte sie hinzugefügt.
    Nun sagte er: »Deine Schäfchen ins trockene bringen … Das bedeutet …?«
    Sie seufzte erneut. »Sie nehmen mich dort, Leon. Und ich habe jetzt auch zugesagt. Am zweiten Juni fange ich an. Es tut mir leid, aber es ist eine große Chance, und …« Sie ließ den angebrochenen Satz in der Luft schweben.
    »Natürlich«, hatte er gesagt, »natürlich.« Aber er fand es gar nicht natürlich, und so hatte er aggressiv hinzugefügt: »Und mit mir gemeinsam den Karren aus dem Dreck ziehen - das ist dir wohl nicht lukrativ genug?«
    Sie hatte ein drittes Mal geseufzt. Sie fand die Situation höchst unangenehm, war aber wohl auch froh, sie endlich hinter sich zu bringen.
    »Wir ziehen doch schon ewig an dem Karren, und es nützt nichts. Und ich verstehe nicht, weshalb du mir vorwirfst, ich sei
bloß hinter irgendwelchen lukrativen Aufträgen her! Ich muß doch von etwas leben!«
    »Genau wie ich. Und ich habe zudem auch noch eine Familie am Bein!«
    »Du wirst es auch nicht durchhalten, Leon. Du schaffst es doch bis jetzt nur, weil du dich immer weiter verschuldest, wobei du offenbar keinen Gedanken daran verschwendest, wie und wovon du das alles eines Tages zurückzahlen sollst. Ich an deiner Stelle …«
    Er hatte den Hörer aufgelegt. Er hatte einen Moment neben dem Telefon gewartet für den Fall, daß sie zurückrufen würde, aber der Apparat blieb stumm. Sie war erleichtert, daß sie sich verabschiedet hatte, sie würde sich nicht freiwillig seinen Vorwürfen oder seinem Gejammere aussetzen. Sie schaute jetzt nach vorn und ging ihren Weg. Er war sich auf einmal wie ein mutloser, alter Mann vorgekommen.
    Jetzt, in der Küche, während er den Kaffee in sich hineinpumpte, überlegte er, was er als nächstes tun wollte. Aufgeben kam natürlich nicht in Frage.
    Wieso eigentlich nicht ?
    Weil man neben einer Frau wie Patricia nicht aufgeben kann, dachte er, dann wäre man ja noch kleiner und mickriger und armseliger.
    Aber vielleicht versuchte er jetzt nur, Patricia die Schuld zu geben. Das war nicht fair. Und doch hatte seine Unfähigkeit, die Niederlage einzugestehen, die Selbständigkeit aufzugeben und dahin zurückzukehren, von wo er einmal aufgebrochen war, auch mit ihr zu tun.
    Das Wichtigste am heutigen Tag wäre ein Gespräch mit seiner Bank. Step by step, dachte er. Ich muß einen Schritt nach dem anderen tun, ruhig und ohne Panik. Wenn ich zu weit vorausdenke, bekomme ich wieder Herzschmerzen, und mir bricht der Schweiß aus, und ich kann nicht ruhig denken.
    Also die Bank. Vielleicht stundeten sie ihm noch einmal die
Zinszahlungen. Er war mit dem Bankdirektor recht gut befreundet gewesen, früher hatten sie manchmal sogar Tennis zusammen gespielt. Seitdem er die hohen Kredite laufen hatte und ständig mit den Zinsen in Verzug kam, war das Verhältnis merklich abgekühlt. Dennoch … im Namen der alten Freundschaft …
    Da war schon wieder ein Stechen in seiner Brust.
    Ruhig, befahl er sich, ganz ruhig!
    Er würde keinesfalls von dem Telefon in der Halle aus sprechen, denn er mochte nicht von irgend jemandem belauscht werden, und man konnte nie wissen, wer gerade hinter welcher Tür stand. Aber auf dem ganzen Gelände würde er sich unsicher fühlen, also brachte es auch nichts, mit dem Handy in den Park zu gehen. Am besten, er nahm das Auto und fuhr ein Stück weg, irgendwohin in die Einsamkeit. Dort ließe sich die Angelegenheit dann sicher erledigen. Er mußte nur an die richtigen Ordner denken, worin er die Zahlen notiert hatte, und …
    Er schrak zusammen, als sich die Tür öffnete. Er war so in Gedanken gewesen, daß er niemanden hatte kommen hören.
    Es war Evelin. Sie hinkte stark. Sie sah ziemlich schlecht aus, fiel ihm auf.
    Sie zuckte ebenfalls, als sie ihn sah.
    »Oh … du bist schon wach? Ich dachte, alle schlafen noch.«
    »Neuerdings mutiere ich zum Frühaufsteher«, sagte Leon und grinste, ohne zu wissen, was es dabei zu grinsen gab und weshalb er sich dieses unechte Verziehen seines Gesichts abverlangte. »Und du offenbar auch.«
    »Ja, ich …«, sie machte eine hilflose Handbewegung, »ich konnte eigentlich gar nicht schlafen heute nacht.«
    »Deswegen?« Er wies auf ihren lädierten Fuß. »Tut der auch weh, wenn du stillhältst?«
    »Er tut ständig weh.«
    »Du solltest zu einem Arzt gehen.

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