Am Ende des Tages
Fürst wieder mit einer Horde Betrunkener in einem verwahrlosten Haus in der Altstadt verschwunden war.
Kulls Tasse war fast leer, als die Turmuhr schlug. Er warf einen Blick auf das Zifferblatt des Regulators. Elf Uhr. Fürst hatte seine Schlafstelle noch nie so spät verlassen. War er bereits ausgeflogen?
Von der Metzgerstraße näherten sich zwei Passanten, die Hüte schützend in die Stirn gezogen, die Hände in den Manteltaschen vergraben. Vor der Pension blieben sie stehen und sahen prüfend die Fassade empor. Sie schienen sich kurz zu beraten. Dann verschwanden sie in der Tür.
Kull setzte die Tasse ab. Er atmete unwillkürlich schneller. Ohne die gegenüberliegende Häuserfront aus den Augen zu lassen, rief er nach der Kellnerin. Sie zog ihre Arme aus der Spüle, wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und setzte sich bedächtig in Bewegung.
Die Tür der Pension öffnete sich. Die beiden Männer hatten Fürst in ihre Mitte genommen. Hastig kramte Kull in seiner Geldbörse nach Münzen, drückte sie dem Mädchen in die Hand und hastete ins Freie.
Er sah gerade noch, wie das Trio an der Ecke der Preysingstraße einen dunklen Simson-Supra bestieg und sich in den Verkehr in Richtung Osten einfädelte.
Kull starrte ihnen nach.
Die Herrschaften machen plötzlich Tempo, dachte er beunruhigt. Was zum Teufel ist passiert? Habe ich etwas übersehen?
42.
»Wenn die Bemerkung gestattet ist, Eure Exzellenz. Die Kur auf Schloss Bühlerhöhe scheinen Eurer Exzellenz sehr gutgetan zu haben.«
Der Außenminister setzte Messer und Gabel ab und maß seinen Untergebenen unwillig. »Gut getan hat mir nur, eine Weile nicht von meinen Mitarbeitern belästigt zu werden.«
»Es war unumgänglich, Eure Exzellenz müssen mir zustimmen.«
»Ja …«, sagte Stresemann gedehnt. »Aber wollten Sie außer dem, dass ich nach Ihrer Ansicht wieder vor Gesundheit strotze, noch etwas mitteilen? Hat Major Bischoff geschluckt, was Sie ihm sagten?«
»Er lässt Eurer Exzellenz herzlichste Grüße und beste Wünsche für das Wohlergehen Eurer Exzellenz übermitteln.«
Der Außenminister trennte ein Fleischstück ab, führte es zum Mund, ließ das Besteck aber wieder sinken. »Sie sind aber nicht zu mir gekommen, um mich deshalb beim Essen zu stören. Und mich mit Dingen zu beschwatzen, die ich mir bereits denken konnte?«
Der Staatssekretär schüttelte den Kopf. »Ich dachte mir, ich sollte Eure Exzellenz in dieser Sache davon in Kenntnis setzen, dass ich kürzlich eine Unterredung mit Major von Lindenfeld hatte. Er rief mich an. Die Sache lässt ihm offensichtlich keine Ruhe. Soweit ich es heraushören konnte, scheint er um seinen guten Ruf besorgt zu sein.«
Der Außenminister mampfte. »Soso. Und was geht uns das an?«
Der Staatssekretär senkte die Stimme: »Er deutete unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit seine Vermutung an, dass es tatsächlich ein geheimes Kommando der Nationalsozialisten gewesen sein könnte, das das Geld rauben wollte. Was aber aus noch ungeklärten Gründen schiefgegangen sein muss und, wie bekannt, mit der Vernichtung des Geldes endete.«
»Aber Beweise dafür hat er nicht, richtig?«
Der Staatssekretär verneinte bekümmert.
»Nichts anderes habe ich erwartet«, sagte Stresemann. »Schubarth! Sehen Sie denn nicht, dass der Mann Derartiges nur deshalb in die Welt setzt, weil er davon ablenken will, dass er möglicherweise Mist gebaut hat? Idiotisch, wenn Sie mich fragen.« Er ließ das Besteck sinken und schob den Teller von sich. »Auch deshalb, weil Lindenfeld dabei vergisst, dass es, träfe diese abenteuerliche Vermutung tatsächlich zu, den Schluss nahelegt, dass er selbst es mit der Geheimhaltung nicht sonderlich genau genommen haben kann.«
»Das scheint ihm bewusst zu sein. Aber nach wie vor bestreitet er vehement, dass in seiner Umgebung ein Leck gewesen sein könnte. Er gibt zu bedenken, dass sich der verunglückte Bordmechaniker durchaus Zugang zu den Abflugzeiten verschafft haben könnte. Und von diesem Mann habe er in Erfahrung bringen können, dass eine Zugehörigkeit zur NSDAP nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.«
Der Außenminister sah Schubarth scheel an.
»Und damit rauben Sie mir die Zeit? Mit einer Spökenkiekerei, die sich der Mann aus den Fingern saugt, um von seinem Versagen abzulenken? Im Übrigen haben wir nach wie vor keine Gewissheit, dass es sich nicht doch um einen bedauernswerten Flugunfall gehandelt hat. Wie geht es eigentlich mit den Ermittlungen
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