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Am Ende des Tages

Am Ende des Tages

Titel: Am Ende des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hültner
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Rosenauer lehnte sich zufrieden zurück. »Was meinen Sie? Was wird er wählen, unser Held? Dass diese Schweinerei wieder ans Tageslicht kommt, oder dass er sich lediglich die kleine Lässlichkeit vorwerfen lassen muss, sich im Trubel des glorreichen Abwehrkampfes gegen die bolschewistische Gefahr bloß ein bisserl in der Uhrzeit vertan zu haben?«
    Kajetan nickte zweifelnd. »Aber wie würd der Fürst drauf reagieren?«
    »Na, wie wohl? Natürlich wird er probieren, den Lindenfeld seinerseits hinzuhängen.« Der Kripo-Chef lachte. »Aber meinen Sie im Ernst, dass Gericht und Öffentlichkeit einem soeben überführten Mörder noch einen Funken Glaubwürdigkeit zugestehen?« Er zog seine Taschenuhr hervor und klappte den Deckel auf. »Oh«, sagte er. Er stand eilig auf. »Sinds mir nicht bös, Herr Kajetan. Aber das Tarocken in der ›Südtiroler Stuben‹ kann ich unmöglich auslassen.« Er zwinkerte vertraulich. »Das wäre übrigens meine letzte Empfehlung, mein Lieber. Man muss sich hin und wieder die eine oder andere Entspannung gönnen.« Auch Kajetan hatte sich erhoben und rückte den Sessel an den Schreibtisch. Rosenauer schlüpfte in seinen Mantel und griff nach der Türklinke. »Denkens immer dran, Herr Kajetan: Wie soll einer dafür sorgen, dass es unserer Gesellschaft besser geht, wenn er zu dumm ist, sichs selber gut gehen zu lassen?«
    Kajetan lachte. »Werds mir durch den Kopf gehen lassen.«
    »Fein«, sagte der Kripo-Chef. Er zog die Tür auf und ließ Kajetan an sich vorbeigehen. »Alles Gute«, sagte er. »Wir sehn uns bald wieder, ja?«

41.
    Ein Schimmer des Wiedererkennens leuchtete im Gesicht der Kellnerin der »Walserstube« auf, als Kull das Lokal betrat. Er stampfte sich den Straßenkot von den Schuhen und steuerte einen der Fensterplätze an, von dem aus er gute Sicht auf den Eingang der Pension Prokosch hatte.
    In der Nähe des gusseisernen Ofens tuschelte ein Pärchen miteinander, am Tisch neben der Schänke schwiegen sich zwei klobige Handwerker vor ihren Bierkrügen an, die Füße von sich gestreckt. Neben Kull waren zwei schäbig gekleidete Pensionäre in ihr Schachspiel vertieft. Mit dem Ticken eines alten Regulators vermischt, war hin und wieder das gedämpfte Zischen eines Wagens zu hören, der den regennassen Platz querte.
    Das Mädchen stieß sich vom Buffet ab und näherte sich seinem Tisch.
    Kull bestellte eine Melange, zündete sich eine Zigarette an und sah auf den nebelverhangenen Platz. Nur wenige Passanten und Radfahrer waren unterwegs. Von der Johannisstraße kommend zog ein ambulanter Händler einen Gemüsekarren über das Pflaster. Am Eingang der Pension Prokosch rührte sich nichts.
    Kurze Zeit später brachte das Mädchen das dampfende Getränk, rückte das Zuckergefäß zurecht und wischte mit dem Handrücken imaginäre Krümel von der Tischplatte. Sie rieb sich die Oberarme und wies mit einer Kopfbewegung nach draußen.
    »Grausig heut wieder, das Wetter, hm?«
    Kull widersprach nicht. Er führte die Tasse an seinen Mund. Der Kaffee war heiß und schmeckte nach Zichorie. »Geht halt langsam auf den Winter zu«, setzte sie nach. »Aber nachmittags solls besser werden.«
    »Vermutlich.«
    Das Mädchen wiegte sich träge in den Hüften. »Der Herr sind nicht von da, gell?«
    Kull vermied, sie anzusehen. »Woran wollen Sie das erkennen?«
    Zieh Leine, dachte er. Ich bin bei der Arbeit.
    »Man hat so seine Kenntnis«, meinte sie. »Vor allem hört mans.«
    »Soso.« Er sah wieder auf die gegenüberliegende Seite des Platzes. Ein schwarzer Simson-Supra näherte sich von der Nordseite des Platzes und glitt langsam an der Pension vorüber.
    »Sie werden beruflich da sein, hm?« Das Mädchen fing Kulls reservierten Blick auf und zuckte die Schultern. »Ich mein bloß. Weil um die Zeit hats wenig Fremde. Bei uns in Haidhausen heroben schon gleich gar nicht. Zum Sehn gibts ja nichts.«
    »Meinen Sie?«, gab Kull zurück, während sein Blick einer Trambahn folgte, die ihm die Sicht auf die Pension nahm. Gedämpft drang metallenes Kreischen in die Gaststube. Der Regen hatte sich abgeschwächt. Mehrere Frauen eilten Körbe tragend über den Platz und verschwanden in der schmalen Gasse, die zum Markt am Wiener Platz führte. Die Kellnerin gab auf und kehrte hinter die Theke zurück.
    Kull dehnte sich. Noch immer fühlte er sich wie gerädert. In der vergangenen Nacht war er erst weit nach Mitternacht in sein Bett gefallen. Er hatte seine Beschattungsaktion abgebrochen, nachdem

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