Am Ende des Winters
Und sie dachte – anstatt ans lästige Sterben – an Liebeswerben.
Seltsam! Sehr seltsam!
Ab und zu hatte sie ein paar Kopulationsversuche unternommen – das taten fast alle, selbst jene, die ihrem Entwurf und ihrer Struktur nach nicht für die Fortpflanzung bestimmt waren –, aber Torlyri hatte derlei nicht sehr oft getan und nun schon seit langer Zeit nicht mehr. Angeblich war die Sache mit hoher Lust verbunden, doch ihr war es nie gelungen, diese dabei zu finden. Übrigens auch kein Unbehagen: sie hatte es nur als etwas Beiläufiges betrachtet und erlebt, einen gewissen Bewegungsablauf, den man mit dem Körper durchführte, etwa so befriedigend wie Fußboxen oder Handlaufen, vielleicht nicht einmal dies.
Ihre erste Erfahrung hatte sie mit vierzehn gemacht, kurz nach ihrem Tvinnr-Tag, also im üblichen Alter für solcherart Initiationen. Ihr Partner war Samnibolon, der später Minbains Kopulationspartner werden sollte. Er machte sich in einem abgeschiedenen Winkel des Kokons an sie heran und winkte ihr zu und hielt sie fest und streichelte ihren dunklen Pelz, bis sie schließlich begriff, was er vorhatte. Es schien daran nichts Böses. Also tat sie, wie sie es bei älteren Frauen gesehen hatte, und öffnete sich ihm und ließ ihn seine steife Kopulationsrute in sie schieben. Er bewegte sie rasch her und hin, und sie rollten irgendwie ineinander verstrickt herum, und irgendeine plötzliche Eingebung befahl ihr, die Beine anzuziehen und ihre Knie gegen seine Flanken zu pressen, was ihm sehr zu gefallen schien. Und nach einer Weile schnaufte er grunzend und ließ sie wieder los. Dann lagen sie still einige Zeit im Arm des Andern, Samnibolon redete auf sie ein, wie schön sie sei und was für eine leidenschaftliche Frau sie werden würde. Und damit hatte es sich. Er kam ihr nie wieder zu nahe. Wenig später wurden Minbain und er Kopulationspartner.
Ein, zwei Jahre darauf zog sie der alte Krieger Binigav beiseite und bat sie, mit ihm zu kopulieren; und da er freundlich war und außerdem schon dem Grenzalter nahegerückt, tat sie ihm den Gefallen. Er war sanft, zärtlich und behutsam mit ihr, und nachdem er in sie eingedrungen war, verhielt er dort eine lange Zeit; sie aber verspürte weiter nichts als eine milde Wärme, aber wenig aufregend.
Das drittemal war mit Moarn, dem Vater jenes Moarn, der nun Stammeskrieger war. Moarn war bereits partnerschaftlich kopulationsverbunden, und deshalb überraschte es Torlyri, als er nach einem Fest nach ihr griff. Er hatte zu viel vom Samtbeerwein getrunken, und sie gleichfalls. Sie begrapschten und befummelten einander und umarmten sich. Torlyri war sich später nie ganz sicher, ob sie tatsächlich kopuliert hatten oder nicht: sie erinnerte sich, daß es da gewisse Schwierigkeiten gegeben hatte. Doch wie immer, es bedeutete kaum einen Unterschied. Auf jeden Fall war es kein buchenswertes Erlebnis gewesen. Und das war die Liste ihrer drei Kopulationserfahrungen: Samnibolon, Binigav und Moarn. Alle drei Männer waren schon lange tot; und sie – sobald sie in ihrem achtzehnten Jahr zur nächsten Opferfrau erwählt war – hatte nie wieder den Versuch unternommen, diesen Lebensbereich zu erforschen.
Doch nun… aber jetzt…
Seit Wochen schon hatte Lakkamai sie so seltsam angestarrt. Dieser stille, verschlossene, abweisende Mann, was bewegte er in seinem Kopf? Noch nie hatte jemand sie dermaßen fest angestarrt. In seinen grauen Augen leuchteten helle grüne Flecken, und das ließ ihn geheimnisvoll, unergründlich erscheinen. Es war, als versuche er, tief in ihre Seele hinabzublicken.
Jedesmal wenn sie sich plötzlich umschaute, stand da etwas entfernt Lakkamai und blickte sie an. Und dann wandte er stets hastig den Blick und gab vor, mit etwas, mit irgend etwas beschäftigt zu sein. Manchmal lächelte sie ihm zu. Manchmal aber kehrte sie ihm einfach den Rücken zu; und wenn sie sich ihm dann erneut zuwandte, fünf oder zehn Minuten später, stand er wieder da und starrte sie an.
Allmählich begriff sie.
Sie ertappte sich oft dabei, daß sie nun ihrerseits zu Lakkamai hinüberschaute, um zu sehen, ob er zu ihr herüberblickte. Und dann ertappte sie sich dabei, daß sie Lakkamai anschaute, einfach um des Vergnügens willen, ihn anzuschauen, sogar wenn er ihr den Rücken zukehrte. Er war so geschmeidig und graziös und dabei doch auch stark; nicht kräftig in der dickfleischigen Art von Harruel, sondern ausgestattet mit einer drahtigen, federnden Kraft, die sie an jenen
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