Am Ende des Winters
fuhr.
Nach einiger Zeit sagte sie: »Darf ich dir etwas anvertrauen, Hresh?«
»Ist es etwas, das zu erfahren mich freut?«
»Da bin ich mir nicht sicher.«
Er zögerte. »Ach, sag es dennoch!«
Sie fuhr ihm sacht mit der Hand über den weichen Pelz auf der Unterseite seines Armes. »Du wirst es aber nicht falsch aufnehmen, ja?«
»Wie könnte ich das vorher wissen?«
»Also gut. Na schön! Was ich dir sagen wollte, ist, daß du – also – irgendwie löst du in mir drin Dinge aus, Hresh, die so mächtig sind, daß sie mir Angst einjagen. Mehr nicht.«
»Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll.«
»In einem guten Sinn. Ehrlich.«
»Hoffentlich«, sagte er und legte ihr seinerseits die Hand auf den Arm und streichelte sie genauso wie sie ihn; und danach schwiegen sie wieder eine Zeitlang. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust, und sie konnte sein Herz schlagen fühlen – laut wie eine Trommel in seinem Leib.
»Hat dir Torlyri nicht beigebracht, daß du beim Tvinnr überhaupt nichts zurückhalten darfst?« fragte Taniane später.
»Und? Habe ich etwas zurückgehalten?«
»Es ist mir jedenfalls so vorgekommen.«
»Die Sache ist für mich noch ziemlich neu, Taniane.«
»Ach, kaum viel neuer als für mich. Aber ich weiß, wie ein Tvinnr sein sollte, und darum weiß ich, daß du dich vor mir versteckt hast, oder doch wenigstens einen Teil von dir. Und das hat mich geschmerzt, Hresh, weil ich das Gefühl haben mußte, daß du mir nicht vertraust, ja, sogar daß du mich auf irgendeine Art… benutzt hast…«
»Nein!«
»Ich will dir keinen Kummer machen. Ich versuch bloß dir irgendwie zu sagen, wie ich mich dabei so gefühlt habe – damit es beim nächstenmal besser geht… ich will nämlich, daß es ein nächstes Mal gibt, Hresh, das begreifst du doch, daß ich das will, ja? Und ein übernächstes Mal und immer weiter…«
»Ich habe mich nicht zurückgehalten, Taniane.«
»Also gut. Vielleicht habe ich es nicht richtig begriffen.«
Er entzog sich ihr, richtete sich auf dem Ellbogen auf und blickte sie direkt an. »Wenn ich überhaupt etwas vor dir verborgen habe«, sagte er, »dann das, was ich über die Welt, über das Volk, über die Beng, die Große Welt herausgefunden habe – Dinge, die ich noch immer überprüfe, Dinge, die mich durcheinandergeschüttelt haben wie ein Erdbeben, Taniane – Dinge von so gewaltiger Bedeutung, daß ich gerade erst am Anfang stehe, sie zu erfassen. Sie liegen ganz dicht da, am Rand meiner Seele, und vielleicht wollte ich sie dir nicht übertragen, als wir tvinnerten, weil… weil… ach, ich weiß nicht – weil ich vielleicht glaubte, es würde dir weh tun, wenn du etwas von diesen Dingen erfährst, und darum habe ich sie zurückgehalten…«
»Sag es mir!« forderte sie.
»Ich bin nicht sicher, ob ich…«
»Sag es mir!«
Er blickte sie prüfend an. Nach einer Weile sprach er: »Damals, als ich den Barak Dayir benutzt habe, damit wir beide in dieses langgestreckte Gebäude aus dunkelgrünem Stein eindringen konnten, wo wir die Geister der Träumeträumer sahen, wie sie herumschwebten – weißt du noch, Taniane?«
»Aber natürlich!«
»Was meinst du, was dieses Gebäude war?«
»Ein Tempel«, sagte sie. »Ein Tempel aus der Großen Welt.«
»Aber wessen Tempel?«
Sie zog die Brauen zusammen. »Der Tempel der Träumeträumer.«
»Und wer waren diese Träumeträumer?« fragte Hresh.
Sie gab ihm nicht sogleich eine Antwort. Zögernd fragte sie: »Du willst doch wissen, was ich damals wirklich dachte, nicht wahr?«
»Ja.«
»Aber lach mich nicht aus, wenn ich es dir sage.«
»Ganz bestimmt nicht.«
Sie sagte: »Ich habe geglaubt, daß die Träumeträumer jene Menschen waren, von denen in den Chroniken steht. Nicht wir. Und daß es genauso ist, wie die Künstlichen der Saphiräugigen gesagt haben, als wir nach Vengiboneeza kamen – daß wir uns irren, wenn wir uns für Menschliche halten, weil wir nichts weiter sind als irgendeine Art von intelligenten Tieren. Daß wir nicht Teil der Großen Welt waren, überhaupt nicht. Und das glaube ich seit jenem Tag, als wir in diesem Gebäude waren. Aber ich weiß, daß ich mich irren muß. Das kann doch nicht wahr sein, oder? Es ist doch weiter nichts als ein Haufen aberwitziger Unsinn, Hresh? Die Träumeträumer sind vielleicht von irgendeinem anderen Stern gekommen. Und wir sind menschliche Wesen, ganz so, wie wir dies immer geglaubt haben.«
»Nein, wir sind nicht Menschliche.«
»Nicht?«
»Ich habe den
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