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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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hochgemute Stimmung und Kraftprotzerei Harruels aus einem ähnlichen Erwartungszustand entspringen müsse. Doch obwohl Harruel ganz offensichtlich lebensüberdrüssig geworden war, bei Salaman war dies keineswegs der Fall. Mehr als einmal im Verlauf der jüngsten Tage hatte Salaman daran gedacht, Weiawala und Chham zu nehmen und mit ihnen sich nach Vengiboneeza und in die Sicherheit davonzuschleichen, ehe die Hjjk einträfen. Aber dies wäre Feigheit gewesen; und außerdem war es wahrscheinlich auch zum Scheitern verurteilt, denn es war ein Marsch von vielen Wochen bis Vengiboneeza, vorausgesetzt, er würde überhaupt dorthin finden können, und was gab es in dieser ausgedehnten wilden Wüstenei zwischen hier und dort für einen einzelnen Mann und ein Weib und ein kleines Kind schon für Hoffnung, den zahlreichen wilden Tieren zu entrinnen?
    Also: Ausharren und kämpfen – Kämpfen und Sterben. Es gab keine andere Wahl!
    Salaman bezweifelte zwar, daß die Hjjk ihnen wirklich gezielt Böses antun wollten. Nach seiner einmaligen frühen Begegnung mit dem Insekten-Volk, damals vor langer Zeit auf der Grasebene, kurz nach dem Auszug des Stammes aus dem Kokon, hatte er eigentlich die Überzeugung gewonnen, daß die Hjjk ziemlich abweisende, in sich gekehrte, leidenschaftslose Geschöpfe seien, unfähig zu derart komplexen irrationalen Gefühlsregungen wie Haß und Habgier, Raffsucht und Rache. Jene, die vordem Yissou City angegriffen hatten, kämpften auf seltsam unpersönliche, desinteressierte Weise und schienen keinen besonderen Wert auf das eigene Leben zu legen, wodurch Salamans Ansicht über sie nur noch bestätigt worden war. Den Hjjk lag an nichts anderem als daran, die Kontrolle nicht zu verlieren. Und hier und jetzt, in dem sich nahenden Fall, waren sie anscheinend nur auf einer großen Wanderung, und die Siedlung Yissou City lag dabei zufällig auf ihrem Wege und bedeutete somit eine unbekannte, jedoch klare Bedrohung für den Supremat der Hjjk; also würden sie diesen Störfaktor als ein Ärgernis ausradieren. Mehr steckte nicht dahinter. Wahrscheinlich würden die Hjjk heute gewaltige Verluste erleiden. Da ihrer aber dermaßen viele waren, würden sie den Sieg davontragen.
    Harruels Verteidigungsplan sah vor, daß alle – außer den Kleinkindern und der verwundeten Galihine – den Feind oben am Kraterrand erwarten sollten. Wenn die Eindringlinge sich zu nahe heranschöben, würden die Verteidiger sich in die Waldzone dicht unterhalb des Kraterrandes zurückziehen und mit ihrer Hauptstreitmacht jeden Hjjk zu töten versuchen, dem es gelang, über die hastig aufgestellte Hilfsbarrikade aus Gestrüpp und kräftigen Schlingpflanzen zu klettern, mit welcher der Stamm seinen Krater umgeben hatte. Sollten zu viele Hjjk durchdringen, würde man sich mehr und mehr auf die innere Wehrpalisade zurückziehen; und sollte die Lage sich noch gefährlicher entwickeln, würde man sich entweder innerhalb der Stadt eingraben und der Hjjk-Belagerung zu widerstehen versuchen, oder aber sich über den Südpfad in die dichten Wälder absetzen, wo man verstreut und versteckt abzuwarten gedachte, bis man gefahrlos wieder herauskommen könnte.
    Salaman erschienen diese listenreichen Taktikpläne allesamt absurd und sinnlos. Jedoch ihm selbst fiel auch nichts Erfolgversprechenderes ein.
    »Alle Mann an den Rand!« brüllte Harruel mit gewaltiger Stimme. »Yissou! Yissou! Die Götter mögen uns schützen!«
    »Also komm, Liebste!« sagte Salaman. »Gehn wir auf unsern Posten!«
    Er hatte sich die Stelle erbeten, und sie war ihm gewährt worden, die am Kraterrand seinem persönlichen Ausguck am nächsten lag, jenem Hochsitz, von dem aus er die Visionen der hereinbrechenden Horden gehabt hatte. Er fühlte sich dieser Stelle zutiefst verbunden, und da er ziemlich gewiß war, daß er heute sterben würde, und zwar schon beim ersten Ansturm der Hjjk, wie alle anderen aus der Stadt, hatte er sich diese Stelle des Kraterrandes ausgesucht, um hier den Tod zu finden. Stumm kletterte er nun mit Weiawala dort hinauf.
    Als sie den Rand erreicht hatten, hielten sie inne, denn dicht dahinter lag die Dornenbarriere, das Gestrüpp, das sie während der letzten Tage so mühsam aufgeschichtet hatten, um das Vordringen der Hjjk zu bremsen. Doch dann überkam ihn plötzlich ein merkwürdiger Anfall von Neugier, ein abrupter überwältigender Hreshianischer Drang, sich dem Unerwarteten zu stellen, und er sprang über den Rand und begann sich durch das

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