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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Baumkronen schnattern.«
    Hresh spürte, wie vor Bestürzung und Ärger sein Gesicht sich rötete.
    »Ich glaub kein Wort davon.«
    »Aber es ist so. Ihr und die Waldleute…«
    »Ich verbiete dir, von denen und uns in einem Atemzug zu sprechen!«
    »Aber sie sind eure Verwandten, kleiner Affe.«
    »Nein! Nein!«
    »Oh, eure Gattung ist weit überlegen, was den Verstand betrifft, das gebe ich gern zu. Aber ihr dürft euch niemals mit den Menschlichen verwechseln, Kind. Ihr seid nicht aus menschlichem Stoff, sondern aus einem anderen, etwas ähnlich vielleicht, vielleicht aus einer anderen Abstammungslinie von einem und demselben uralten Vorfahren der Menschen und der Affen: ein zweiter Versuch, vielleicht, das zu bewirken, was die Götter mit den Menschen erreicht haben.«
    Hresh starrte stumm. Verwirrung und Zorn erstickten ihm die Kehle. Das sind böswillige Lügen, dachte er. Darauf abzielend, ihn zu demütigen und zu betrüben, weil er so keck gewesen war, in die äonenalte Einsamkeit dieser drei mißgünstigen Künstlichen einzudringen.
    »Ihr seid den Menschlichen in gewissen Stücken ähnlich«, sagte der linke Saphiräugige, »aber nicht übermäßig. Das versichere ich dir. Sie trugen kein Fell, die Menschen, und sie hatten keine Schwänze, und…«
    »Das ist kein Schwanz!« rief Hresh empört. »Es ist ein Sensororgan!«
    »Gewiß, ein modifizierter Schwanz«, fuhr der Saphiräugige unerbittlich fort. »Und er ist ziemlich gut, ja effektiv geradezu wirklich bemerkenswert. Aber ihr seid trotzdem keine Menschen. Es gibt hier keine Menschen mehr. Was ihr seid – ihr seid Affen – oder aber die Kinder von Affen. Die Menschen haben die Erde verlassen.«
    Diese unglaublichen Worte waren niederschmetternd. Es mußte eine Lüge sein, die Künstlichen spielten gewiß nur mit ihm, versuchten ihn zu quälen und zu demütigen mit dieser abscheulichen, unmöglichen Schmachrede. Aber er konnte es dennoch nicht mit der gebührenden Verachtung abschütteln. Er spürte, wie sein Grimm der Verzweiflung wich.
    »Nicht menschlich?« stammelte Hresh, den Tränen nahe und mit einem Gefühl von Winzigkeit und Häßlichkeit. »Nicht – menschlich? Nein. Nein. Das kann nicht sein.«
    »Was soll das?« mischte sich Koshmar endlich ein. »Was sind das für Geschöpfe da? Saphiräugige, oder? Und sie sind noch am Leben?«
    »Nein«, sagte Hresh, der sich allmählich wieder fing. »Es sind Künstliche in der Gestalt von Saphiräugigen. Nur die Torwächter von Vengiboneeza. Aber hast du gehört, was sie sagten, Koshmar? Ganz verrücktes Zeug? Daß wir keine Menschlichen seien. Daß wir Affen seien, oder Abkömmlinge von Affen, daß unsere Sensororgane nichts weiter seien als Affenschwänze, und daß die wirklichen Menschen von hier fortgezogen…«
    Koshmar blickte bestürzt drein. »Was ist denn das für ein Unsinn?«
    »Sie sagen…«
    »Ja, ich hab gehört, was sie sagen.« Sie wandte sich Torlyri zu. »Was hältst du davon?«
    Die Opferfrau war sichtlich verwirrt, sie blinzelte, lächelte nervös, runzelte die Stirn. »Das sind sehr alte Geschöpfe. Vielleicht verfügen sie über Wissen, das…«
    »Das ist absurd«, sagte Koshmar grob. Sie machte eine Bewegung zu Hresh hin. »Du da! Chronist! Du hast die Vergangenheit studiert. Sind wir Menschliche oder nicht?«
    »Ich weiß es nicht. Die ganz frühen Chroniken sind sehr kompliziert. Die Menschen sind fort, sagen diese Künstlichen hier«, murmelte Hresh. Er fröstelte trotz der Wärme. Die Augen waren ihm heiß und wie geschwollen; jeden Augenblick konnten die Tränen hervorbrechen.
    Koshmar schien sich vor Zorn zu blähen. »Und was wären dann Menschliche, wenn wir keine sind?«
    »Die Künstlichen sagen, sie haben keinen Schwanz – keine Sensororgane… und daß sie keinen Pelz haben…«
    »Dabei handelt es sich um eine andere Art von Menschlichen«, sagte Koshmar und erledigte mit einer wegwerfenden Handbewegung dieses Thema. »Ein anderer Stamm, längst schon verschwunden, falls es ihn je gegeben hat. Woher sollen wir wissen, daß sie je gelebt haben? Wir haben nichts als das Wort dieser – dieser Dinger da, dieser Künstlichen. Mögen sie sagen, was immer sie wollen. Wir wissen, wer wir sind.«
    Hresh sagte nichts. Er mühte sich, das aus den Chroniken erlangte Wissen zu Rate zu ziehen, aber in seinem Kopf stiegen nur nebelhaft vieldeutige Bruchstücke herauf.
    »Wir sind die Kinder des Herrn Fanigole und der Herrin Theel, die uns in den Kokon führten«, sagte

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