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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Fremden mit den Speeren durchbohrt und die blutigen Leiber wie Unrat beiseitegeworfen; der dritte Angreifer war geflohen, hinauf in die Bäume, und dort hing er nun an seinem Sensororgan und kreischte wild zu ihnen herab.
    »Bist du unverletzt?« fragte Harruel.
    »Ich glaub schon. Bloß… Luft… ein… bißchen knapp.« Er richtete sich kniend auf, rieb sich die schmerzende Kehle und füllte seine Lungen so tief er atmen konnte. »Noch ein Augenblick, und für mich wäre alles zu Ende gewesen.« Er blickte zu den zwei zerknautschten toten Körpern hinüber und schauderte. »Aber ihr habt mich gerettet. Und dort – schaut doch, seht ihr sie? Die Stadt! Die Stadt!« Hresh streckte zitternd die Hand aus. »Vengiboneeza!«
    Vengiboneeza, ja. Die beiden Krieger blickten flüchtig zu den Türmen hinüber, deren Spitzen von dort aus kaum zu sehen waren. Konya stieß ein überraschtes Grunzen aus, sank in die Knie und schlug das Zeichen des Beschützers. Harruel stützte sich nur stumm auf seinen Speer und schüttelte langsam und erstaunt den Kopf.
    Dann kam Koshmar angerannt, und Torlyri, und hinter ihnen auch noch fast alle anderen. Hresh war zwar noch ziemlich wackelig und unsicher auf den Beinen, aber er führte sie durch das Dickicht von Ranken und sägezähnigen Gräsern an die Stelle, von der aus er die leuchtenden Türme in den Himmel hatte aufragen sehen. Doch die Angehörigen des schnatternden graugrünen Volks waren überall, wurlten zu Dutzenden in den Bäumen umher, baumelten von ihren Sensororganen, sprangen von Ast zu Ast, keckernd, lachend, schmetternde höhnische Herausforderungen kreischend. Sie haben mich also schon die ganze Zeit beobachtet, erkannte Hresh.
    »Was ist das für ein Stamm?« fragte Torlyri.
    »Ein äußerst dummer, glaube ich«, sagte Hresh.
    »Sie sehen uns aber irgendwie ein bißchen ähnlich«, sagte Torlyri.
    »Also doch wohl kaum!« erwiderte Koshmar entrüstet.
    »Aber sie sind schnell«, sagte Hresh.
    »Nicht so schnell, daß wir sie nicht abmurksen könnten, wenn sie uns stören«, sagte Koshmar. »Ihr Götter! Das ist doch kein Volk! Das sind keine menschlichen Wesen! Das sind weiter nichts als Tiere. Ungeziefer! Da, schaut: die Stadt! Vengiboneeza wird uns gehören. Alle Mann an die Speere! Fackeln! Auf nach Vengiboneeza!«
    Ungeziefer mochte das fremde Volk ja sein, und möglicherweise auch ziemlich dumm, aber es entpuppte sich als eine lästige Plage. Die Wesen weigerten sich nämlich, von den Bäumen herabzusteigen, und bewarfen Koshmars Volk vielmehr mit Ästen und Früchten und sogar mit ihrer grünen Scheiße, wobei sie unablässig unverständliche Beleidigungen brüllten. Galihine wurde von einer schweren blauroten Frucht zwischen die Schultern getroffen und niedergestreckt, und Haniman wurde Ziel einer gewaltigen grauen papierartigen Kugel, die sich als das Nest eines Schwarmes von halbfingerlangen wütenden stechenden Insekten herausstellte.
    Koshmar und ihre Krieger jedoch rückten stetig weiter voran, sie setzten die Speere ein, Wurfstöcke, Wurfpfeile und alle anderen Arten von Waffen, die sie hatten; und nach und nach zog sich der fremde Stamm zurück. Hresh, der die Gefechte aus sicherer Entfernung beobachtete, war von diesen Waldleuten angewidert und entsetzt. Wie häßlich sie waren, wie niederträchtig, wie – nichtmenschlich! Sie besaßen die Gestalt von Menschen (oder doch fast), aber sie handelten und betrugen sich wie Tiere. Die Fackeln jagten ihnen Entsetzen ein, als hätten sie nie zuvor Feuer gesehen. Ihr Sensororgan benutzten sie ausschließlich als Greiforgan, ganz wie irgendein banales wildes Wesen, als besitze dieses Organ keinerlei andere Kraft und Funktion, als sich mit seiner Hilfe durch die Bäume zu schwingen.
    Trotzdem, dachte Hresh, so übermäßig anders als wir sehen sie eigentlich doch wieder nicht aus. Und das ist am schlimmsten dabei. Wir sind menschlich, sie sind tierisch – und trotzdem sind sie gar nicht so viel anders als wir! Und ohne die Gnade der Götter wären wir genauso wie sie!
    Nach einer halben Stunde war die Schlacht beendet. Die Waldschnatterer waren verschwunden, und der Weg nach Vengiboneeza lag frei.
    »Laß mich zuerst gehen«, flehte Hresh. »Ich hab es gefunden. Ich will der Erste sein.«
    Koshmar gluckste, nickte aber huldvoll. »Noch immer unser Hresh-der-Fragesack, was? Na, schön. Geh!«
    Die Gewährung seiner Bitte, vor allem weil sie so rasch und leicht erfolgte, bestürzte ihn ein wenig, aber er wandte sich

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