Am Ende des Winters
geworden und wußte, wann der Versuch sich lohnte, gegen Koshmars Entscheidungen zu opponieren, und wann man sich am besten ihren Wünschen fügte. Er verzichtete.
Am Morgen des bestimmten Tages war es warm und hell, die tiefkriechenden Bodennebel wurden rasch von der Sonne aufgesogen. Konya und er standen auf dem Platz vor dem Großen Turm. »In welche Richtung willst du gehen?« fragte Konya.
Hresh hatte keinen Plan. Doch er spähte äußerst ernsthaft nach rechts und nach links, ganz so, als sei er mit tiefen Überlegungen beschäftigt, dann streckte er den Zeigefinger geradeaus und deutete auf einen breiten eindrucksvollen Boulevard, der zu einem der grandiosesten Teile der Stadt zu führen schien.
»Da lang«, sagte er.
Anfangs schritt Konya vor ihm her und stampfte mit den Beinen auf das Pflaster, um zu prüfen, ob es ihr Gewicht tragen werde, spähte in Türöffnungen und Seitengassen nach verborgenen Feinden, pochte mit dem Ende seines Speeres gegen die Mauern von Gebäuden, um sich zu vergewissern, daß sie nicht zusammenfallen würden, wenn er und Hresh daran vorbeigingen. Aber als es nach einer Weile deutlich wurde, daß nirgends wilde Bestien sprungbereit lauerten, daß die Straßen unter ihnen nicht einbrechen, daß die Häuser nicht zusammenstürzen würden, eilte Hresh voraus und wandte sich allem zu, was seine Neugier erregte, und Konya erhob dagegen keine Einwände.
Hresh war es, als betrete er eine verzauberte Welt. Er war vor Erregung ganz benommen, und seine Augen zuckten dermaßen hastig von einem Ding zum anderen, daß ihm der Kopf zu dröhnen begann. Er wollte alles mit einem einzigen gewaltigen gierigen Schluck in sich hineintrinken.
Überall sah er Bauten, deren Großartigkeit und massige Gestalt ihm den Atem verschlugen. Fast schien die Große Welt noch zu leben. Jeden Augenblick, stellte er sich vor, konnten aus diesem Bau da Saphiräugige oder Vegetalische oder Seeherren auf die geschwungenen Zinnen strömen, oder aus jenem anderen dort, das in zarten Filigranbögen aufstieg, die wie gefrorene Musik wirkten, oder jenem dort mit seinen gelben Türmen und weitgespannten Flügeln.
»Hier herein«, rief er Konya zu. »Nein, lieber das da! Nein, dies sieht noch besser aus! Was hältst du davon, Konya?«
»Ach, welches du willst«, erwiderte der Krieger stumpfsinnig. »Mir kommen sie alle gleich gut vor.«
Hresh grinste. »Wir werden viele wunderbare Dinge finden. Das steht in den Chroniken. Alles ist erhalten geblieben, die wundersamen Maschinen, die sie in der Großen Welt benutzt haben. Wir werden es alles vorfinden, genau da, wo die Saphiräugigen es zurücklassen mußten, als die Todessterne kamen.«
Aber er fand sehr bald heraus, daß dem leider ganz und gar nicht so war.
Viele der äußerlich so guterhalten wirkenden Bauten waren in ihrem Innern nur noch Trümmer. Manche waren leere Schalen, in denen nichts weiter war als leise rieselnder uralter Staub. Andere waren in sich zusammengestürzt, und die einzelnen Stockwerke lagen chaotisch über- und durcheinander, und man hätte ein Heer von kräftigen Gräbern benötigt, um in diese Schutthügel vorzudringen. Bei wieder anderen Gebäuden scheinbar unversehrten Fassaden und Gehäusen genügte die leiseste Berührung, um sie zu dunklen Dunstwolken zerstieben zu lassen, wenn Hresh ihnen nahekam.
»Wir sollten jetzt aber umkehren«, sagte Konya schließlich, als die purpurnen Schatten des Nachmittages zu wachsen begannen.
»Aber wir haben nichts gefunden!«
»Morgen ist auch noch ein Tag«, erklärte Konya.
Es war ihm arg peinlich, daß er mit leeren Händen von seiner Expedition zurückkehren mußte, und er konnte Koshmar kaum ins Gesicht blicken, als er Bericht erstattete.
»Nichts?« fragte Koshmar.
»Nichts«, murmelte Hresh kläglich. »Noch nicht.«
»Nun, morgen ist auch noch ein Tag«, sagte Koshmar.
Und er zog beinahe Tag um Tag aus, nur nicht an Tagen, an denen es regnete. Gewöhnlich begleitete ihn Konya, manchmal auch Staip; niemals Harruel, denn dieser war zu riesenhaft und überwältigend, und Hresh erklärte Koshmar unverblümt, daß er niemals etwas Vernünftiges zustandebringen werde, wenn ihm dabei Harruel beständig seinen Atem ins Genick schnaufte. Er hätte auch liebend gern auf Konya oder Staip verzichtet, doch dies untersagte Koshmar ganz strikt, und widerwillig mußte er zugeben, daß sie recht habe, wenn sie ihn nicht allein in die Stadt ziehen ließ. Kaum sonst jemand im Stamm konnte überhaupt
Weitere Kostenlose Bücher