Am Ende des Winters
sei.
Plötzlich erklang ein stöhnender Laut, als ächzte und vibriere der Boden unter ihnen schwerfällig. Bestürzt und ängstlich blieben sie stehen und blickten einander an. In der dicken, stickigen und schalen Luft breitete sich ein Staubgeruch aus.
»Eisfresser?« flüsterte Haniman. »Die sich von unten rauf zu uns durchbohren wie damals im Kokon?«
»Eisfresser? Hier?« antwortete Hresh. »Nein, das kann nicht sein. Ich dachte, die leben bloß in Bergen. Aber der Untergrund wackelt, das stimmt. Und…«
Danach erklang ein Seufzen, wie er es bereits früher vernommen hatte, und darauf wieder ein tiefes qualvolles Stöhnen; und dann begriff Hresh, was da geschah. Nein, Eisfresser gab es hier keine. Die Geräusche, die sie da vernahmen, waren die der unsichtbaren Mechanismen, die sie in diese Tiefen herabgetragen hatten.
»Zum Stein!« brüllte er. »Der geht ganz allein nach oben!«
Und wirklich hatte die Platte sich langsam zu heben begonnen. Verzweifelt rannte er auf sie zu. Sie war bereits bis zu seinen Knien aufgestiegen, als er die Kante packen und sich hinauf wuchten konnte. Er blickte sich nach Haniman um und sah, daß der ganz komisch schwerfällig und unbeholfen herumtapste, wie wenn er durch Wasser zu laufen versuchte. Es war wieder der Haniman von früher, der feiste, ungeschlachte Junge, aus dem sich Haniman herausgewachsen hatte; aber der feiste alte Haniman mochte ja verschwunden sein, doch war offensichtlich auch diese seine neue verbesserte Ausgabe immer noch langsam auf den Beinen. Hresh beugte sich über die Kante des Steinquaders und gestikulierte heftig zu ihm hin.
»Mann! Beeil dich doch! Das Ding geht hoch!«
»Ich – versuch – es – ja – «, grunzte Haniman, Kopf auf dem Brustbein und mit wirbelnden Armen.
Aber als Haniman dann endlich – eine Ewigkeit später – den Steinblock erreichte, war der bis in seine Schulterhöhe aufgestiegen. Hresh streckte die Arme nach unten, um ihn an den Handgelenken zu fassen. Er verspürte einen scheußlichen reißenden Schmerz, als würden ihm die Arme aus den Schultergelenken gekugelt, und einen Augenblick lang glaubte er, daß das Gewicht Hanimans ihn von dem Steinquader herunterzerren müsse. Aber irgendwie fand er auf dem glatten schmiegsamen Stein Halt und zerrte. Und mit einem entsetzlichen Übermaß an Krafteinsatz hievte Hresh Haniman hoch, bis der sich mit dem Kinn an der Kante des Steins festhalten konnte. Und danach war es leichter. Der Steinquader erhob sich in die dunkle Kuppel über ihnen. Seite an Seite lagen sie bäuchlings da, und sie keuchten alle beide, sie zitterten und waren ganz erschöpft. Nie zuvor hatte Hresh solche körperlichen Schmerzen gefühlt wie jetzt: über die ganze Länge seiner Arme hin, pochende, brennende, zuckende Schmerzen, die nicht aufhören wollten; und er hatte den starken Verdacht, daß die Geschichte noch schlimmer werden würde, ehe sie wieder heilte.
Der Steinquader glitt weiter und weiter aufwärts. Hresh faßte schließlich Mut und spähte über den Rand nach unten, über den Rand hinweg, und sah nur Dunkelheit dort; das Bernsteinlicht mußte wohl erloschen sein, kaum waren sie halbwegs in der Luft. Auch über ihnen – Finsternis! Doch es dauerte nicht lang, und sie waren wieder droben im Turm der Metallspiralen, und der Steinquader lag wieder festverankert und plan im Lehmboden des Erdgeschosses.
Stumm erhoben sich die beiden von dem Stein. Und ohne ein Wort wanderten sie den Weg zu ihrem Stamm zurück. Die Nacht war hereingebrochen, eine schwerlastende, sternlose, geheimniserfüllte Nacht. Hresh vermochte sich nicht zu erinnern, daß er sich je zuvor in seinem ganzen Leben dermaßen müde und ausgelaugt gefühlt hätte, nicht einmal an den allerschlimmsten Tagen des Langen Marsches. In seinem Kopf jedoch brannte der Widerschein der Bilder, die er in diesem einen kurzen Augenblick aus der Großen Welt in all ihrer Lebendigkeit geschaut hatte. Er wußte, er würde bald wieder in die Höhle unter dem Turm zurückkehren.
Nein, nicht sogleich, das nicht, so sehr er es sich auch ersehnte, denn ihm war klar, daß er für das nächstemal gewisse Vorbereitungen würde treffen müssen, ehe er es wagen durfte. Aber bald… Und dann würde er den Barak Dayir mitnehmen.
In den folgenden Tagen beobachtete Taniane Hresh und Haniman ausgiebig, denn sie spürte, daß denen bei ihrem jüngsten Erkundungsgang ins Herz der Stadt etwas Ungewöhnliches widerfahren sein müsse. Bei der Rückkehr
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