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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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murmele ich, schon halb im Schlaf.
    »Hab dich auch lieb.« Ihre Hand greift im Dunkeln nach meiner und drückt meine weichen Fingerkuppen, dann bin ich endgültig weg.

 
    Jake,
    Weihnachten 1984
    An Heiligabend höre ich, wie Mum in Onkel Roberts Arbeitszimmer telefoniert. Ihr Ton ist ein wütendes Gemurmel, als hätte sie sich davongeschlichen, um das Gespräch zu führen, und wollte nicht dabei erwischt werden.
    »Weil ich wusste, wie du reagieren würdest, wenn ich es dir sage, darum!«, flüstert sie. »Du bist ein verdammter Arsch, und immer muss alles nach deinem Kopf gehen! Du bist wie ein verwöhntes Kind!«
    Jetzt kommt eine Pause. Sie hört zu.
    »Du benimmst dich doch schon wieder wie ein Arsch! Nein – nein – darum geht es nicht, Bill. Du weißt, dass es nicht darum geht.«
    Ich weiss, das kann nur Dad sein. Mum spricht mit niemandem so wie mit ihm. Ich drücke mich an den Türrahmen und sehe sie durch den Spalt; sie sitzt vorgebeugt an Onkel Roberts großem Schreibtisch, drückt den Hörer ans Ohr und hält die andere Hand über die Augen. Das Haar hängt wie ein schwarzer Vorhang vor ihrem Gesicht.
    »Du herablassender Scheißkerl, Bill! Wir haben Weihnachten – natürlich habe ich etwas getrunken. Du verdammter Heuchler. Du warst wohl nicht jeden Abend im Royal Oak, seit du am Freitag dein Werkzeug hast fallen lassen? Aber das ist ganz in Ordnung, nicht wahr? Das ist wahrscheinlich überhaupt nicht das Gleiche, oder, Bill? Ich sag dir was: Wenn die Frauenbewegung glaubt, ihre Arbeit ist getan, dann irrt sie sich verdammt noch mal, Bill, solange Chauvinistenschweine wie du noch unterwegs sind. Du Scheißkerl.«
    Mum sieht blass und müde aus. Sie hört sich an, was Dad sagt, schüttelt ab und zu den Kopf und wischt sich die Tränen ab. Nach einer Pause schnieft sie, schüttelt das Haar zurück und richtet sich auf dem Stuhl auf. Ihr Gesicht verändert sich; sie zieht die Brauen hoch, und der Mund wird fest. Sie taucht den Finger in das Kristallglas mit Gin-Tonic, das vor ihr steht, und lässt die Eiswürfel auf und ab dümpeln. Dann wischt sie den nassen Finger am Schoß ab.
    »Sie sind nicht hier, Bill. Sie sind heute Nachmittag mit Rachel unterwegs. Ich sage ihnen, sie sollen dich anrufen, wenn sie wieder da sind … Nein, ich will nicht, dass du dauernd hier anrufst. Wir rufen dich an.«
    Ihr Blick ist eiskalt, nicht mehr weich und tränenreich. Sie hat nichts Liebenswertes, wenn sie so ist.
    »Tja, du wirst damit zufrieden sein müssen, Bill, so ist es nun mal. Die Jungs rufen dich in den nächsten Tagen an … Natürlich weiß ich, dass morgen Weihnachten ist, Bill. So viel Intelligenz darfst du mir schon zutrauen. Ich habe gesagt, wir rufen an.«
    Und sie legt auf.
    Ich schleiche mich weg wie ein Dieb, durch den Korridor und hinauf in mein Zimmer unter dem Dach.
    Der erste Weihnachtstag ist fabelhaft. Mum freut sich über die Kippen – sechs Packungen –, und sie sagt, das »Charlie«-Parfüm ist wirklich prima. Sie will es für besondere Gelegenheiten aufheben. Für Andy hatte ich einen Stapel »2000 AD «-Comics und einen Haufen Süßigkeiten. Er hat »Hammer!« gesagt und die Faust in die Luft gestoßen, eine nervtötende Angewohnheit, die er seinem Kumpel Ronny abgeguckt hat, und ich musste mich beherrschen, um ihn nicht zu boxen. Seitdem steckt seine Nase die ganze Zeit in den Comics. Georges Geschenke sahen echt teuer aus: ein »Smash Hits«-Jahrbuch, jede Menge LP s und ein Haufen Geld für den Schlussverkauf. Katy hat den üblichen Mädchenkram gekriegt: Glücksbärchis, Jahrbücher von Mädchenzeitschriften, Haargummis und so weiter. Aber sie schien ganz glücklich zu sein. Mum hatte wie immer das Gleiche für mich und für Andy, und weil sie vergessen hat, unsere Strümpfe mitzubringen, mussten wir einen gestreiften Kopfkissenbezug aufhängen, und das war anders als sonst. Es gab eine Schachtel »Cadbury’s Selection«, neue Schlafanzüge, Socken und Unterhosen, eine Kartoffelpistole (plus Kartoffel), Bücher – Ein Freund wie Stig für Andy und Eulenzauber für mich – und ganz unten natürlich Nüsse und Mandarinen und Quietschballons. Als sie Georges Geschenke sieht, schiebt sie mir und Andy jeweils einen Zehner zu, »für den Schlussverkauf«, sagt sie, und wir umarmen sie, Andy von der einen, ich von der anderen Seite. Ich frage mich, wo Matt ist und was er an Weihnachten wohl macht.
    Zweimal kann ich mit Dad sprechen. Beim ersten Mal ist Mum dabei, und deshalb passe ich

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