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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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einem Café im Urlaub in Tunesien. Sie halten schicke Cocktailgläser in die Kamera und lächeln beide hinter großen Sonnenbrillen. Sie sehen glücklich aus und reich. Rachel ist braun, und ihr dunkles Haar ist offen. Sie sieht aus wie ein Bond-Girl.
    »O Gott!«, kreischt sie. »Sieh mich an! Was für ein Kracher! Damals wusste ich es natürlich nicht. Was man hatte, weiß man erst, wenn es weg ist.« Sie nimmt einen Schluck aus ihrem Weinglas, streicht sich das wilde, drahtige Haar zurück und greift zum nächsten Foto.
    Wie Onkel Robert wohl war? Einen Schriftsteller zum Onkel zu haben, ist wirklich eine beeindruckende Vorstellung. Ich frage Tante Rachel, ob ich ein paar von seinen Büchern sehen darf.
    »Oh, er hat nie wirklich etwas zustande gebracht, Schatz«, sagt sie betrübt. »Aber es war sein Traum. Er wollte es wirklich, weißt du. Vielleicht hätte er mehr dafür getan, wenn er gewusst hätte, dass er nicht mehr so viel Zeit haben würde. Lebe für den Augenblick, Schatz, tot sind wir noch lange genug.« Tante Rachel sammelt die Fotos ein und legt sie sorgfältig in den Karton. »Gott allein weiß, was er den ganzen Tag in seinem Arbeitszimmer getan hat – von einem Roman war da nichts zu entdecken. Vielleicht werden wir ihn finden, wenn wir am wenigsten damit rechnen.«
    Mum langt über den Tisch und legt ihre Hand auf die von Tante Rachel.
    »Du hättest es mir sagen sollen, Rachel.« Mum hat Tränen in den Augen. Hoffentlich nicht, weil sie getrunken hat.
    »Und du hättest es mir sagen sollen, Mary.« Tante Rachel nimmt den Karton mit den Fotos und steht auf. Sie drückt Mum einen Kuss auf die Stirn und geht hinaus.
    Eine Zeit lang sitzen wir entspannt und stumm da, ich, Mum, Andy und Katy – wir alle starren faul an Ellie vorbei ins knisternde Kaminfeuer. Den Bauch voll mit gutem Essen, zu Hause bei diesen neuen Leuten: Einen kurzen Moment lang fühlt es sich an, als wäre dieses Wohnzimmer unsere ganze Welt.
    »Schlafenszeit«, sagt Mum und drückt den Korken in die Flasche. Sie lässt ihr halb volles Weinglas stehen und bringt uns hinauf in den zweiten Stock und ins Bett, und wir alle verbringen unsere erste Nacht in Manningly Farm.

 
    Mary,
    Dezember 1965
    Als wir durch das Gartentor kommen, sehen wir, wie Mummy aufsteht und aus dem Fenster schaut. Es ist nach zehn, und wir sind spät dran.
    »Klasse«, sagt Rachel. »Wahrscheinlich kriegt sie seit zehn Minuten Anfälle. Stellt sich vor, dass wir an der Strandpromenade von Brighton in eine Schlägerei zwischen Mods und Rockern geraten sind.«
    »Oder, noch schlimmer, dass wir mit ihnen abgehauen sind«, sage ich.
    Mummy macht uns die Tür auf. Sie sieht überraschend lebhaft aus. Sie ruft über die Schulter zurück: »Seht ihr? Ich bin so froh, dass wir Sie zum Bleiben überreden konnten, Robert.«
    Rachel funkelt mich an, als ich hinter vorgehaltenen Handschuhen anfange zu kichern. Wir gehen ins Wohnzimmer, wo Daddy mit Robert beim Whisky sitzt. Robert steht auf und streckt Rachel sofort die Hand entgegen.
    »Rachel. Mary. Schön, euch beide zu sehen.« Er ist höllisch nervös, und Rachels Gesicht verrät, dass sie sich freut, ihn zu sehen. »Ich kam so vorbei, und, na ja, eure Eltern waren so freundlich, mich auf einen Drink hereinzubitten.« Er lächelt Mummy und Daddy an, und die beiden sind sichtlich entzückt, ihn hierzuhaben. »Wo ist nur der Abend geblieben? Ich sollte Ihnen wirklich nicht weiter zur Last fallen, Mrs Murray. Du liebe Güte, ist es schon so spät?«
    Mummy wirft Daddy einen vielsagenden Blick zu, und Daddy besteht darauf, dass Robert noch auf ein Glas bleibt, und uns befiehlt er, die Mäntel auszuziehen und mit ihnen ein Glas Wein zu trinken. Als wir in der Diele unsere Mäntel aufhängen, gebe ich Rachel einen Rippenstoß. Ich ziehe einen Schmollmund und wackle sexy mit den Hüften.
    »Verpiss dich«, zischt sie, streicht den Minirock glatt, schüttelt das Haar und geht mit elegantem Schwung zurück ins Wohnzimmer.
    Rachel wird neben Robert platziert, und ich muss zu Mummy auf das Sofa. Daddy steht mit dem Rücken zum Kamin. Das Feuer züngelt hinter dem Schutzgitter, und sein Flackern spiegelt sich in den Kugeln an unserem Weihnachtsbaum.
    »Rachel, habe ich dir erzählt, dass Robert zu Murray-Stokes kommt?« Dads Worte klingen, als hätte er sie einstudiert.
    »Nein.« Sie lächelt Robert schüchtern an. »Das ist eine wunderbare Neuigkeit.«
    »Tja, sein alter Herr sagt, in diesem Kopf sitzt ein guter Verstand,

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