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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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auf, was ich sage, damit ich sie nicht aufrege. Ich will nicht, dass es Krach gibt oder so. Es ist zehn Uhr morgens, und wir haben gerade ein mächtiges Frühstück hinter uns, mit Eiern und Speck und »Bucks Fizz«-Trauben-Orangensprudel, das ich ganz toll fand. Dad meldet sich beim zweiten Klingeln.
    »Frohe Weihnachten, Dad!« Mir kommt es vor, als wäre es Wochen her, dass ich Dad zuletzt gesehen habe.
    »Jakey!«, schreit er, und ich weiß, dass er sich im Bett aufsetzt und verschlafen durch die Haare fährt. »Jakey, mein Junge – frohe Weihnachten! Wie geht’s dir, Sohnemann? Gott, ihr beide habt mir gefehlt – weißt du das? Ohne euch ist hier kein Weihnachten.«
    »Und was machst du heute, Dad?« Wir sind zum ersten Mal Weihnachten nicht zusammen.
    »Ach, du weißt schon. Wahrscheinlich mal rüber zu Gran, und dann haben mich ein paar Freunde zum Mittagessen eingeladen. Vielleicht gehe ich hin.«
    Ich höre eine Stimme im Hintergrund. Eindeutig eine Frauenstimme. Es raschelt, und Dad hält den Hörer zu. Dann ist er wieder da.
    »Und wie ist es bei euch, Jakey?«, fragt er, als ob nichts gewesen wäre.
    »Ach, du weißt schon – Mittagessen mit Tante Rachel und allen. Die sind richtig nett. Und das Haus ist sagenhaft. Sie haben einen Hund hier. Dad … wer ist denn da? Ich hab eine Stimme gehört.«
    Er antwortet nicht sofort, und ich habe ein blödes Gefühl. Ich weiß, da ist eine Frau, und fertig.
    »Hier ist niemand, Jake«, sagt er schließlich. »Das war nur die – ich habe den Fernseher laufen, das ist alles. Na los, gib mir mal Andy.«
    Und das war’s. Er ist weg. In meinem Magen ist ein Knoten, und ich habe Herzklopfen. Ich denke an die Stimme und an das, was Dad gesagt hat. Ja, wahrscheinlich war es das, er hatte den Fernseher laufen, und deshalb dachte ich, ich höre eine Stimme. Ich gebe Andy den Hörer.
    »Alles okay, Jakey?«, fragt Mum, als ich Onkel Roberts Arbeitszimmer verlassen will. Sie legt mir die Hand unters Kinn und schaut mir in die Augen, will sehen, was es da zu sehen gibt.
    »Alles okay, Mum. Ich vermisse ihn bloß, das ist alles.«
    »Wer ist denn bei Dad?«, fragt sie allzu beiläufig.
    »Niemand«, sage ich. »Das war der Fernseher.«
    Später schleiche ich mich noch mal allein ins Arbeitszimmer und rufe ihn an. Es ist halb sieben, und als er sich meldet, klingt es, als hätte ich ihn schon wieder geweckt. Im Hintergrund höre ich Scarlett O’Hara; also guckt er wahrscheinlich Vom Winde verweht , genau wie wir. Ich lausche angestrengt, ob ich andere Stimmen höre, aber da ist nur er. Vorhin, das muss der Fernsehapparat gewesen sein, wie er gesagt hat. Dad sagt, er war bei Gran, und sie lässt uns frohe Weihnachten wünschen. Der alte Drachen. Er ist dann doch zum Essen dageblieben. Es gab Truthahn und Plumpudding, und Gran hat gemeckert, weil alles so teuer ist. Ich wette, sie hat auch gemeckert, weil der Rest der Familie so selbstsüchtig ist und niemand sich um eine alte Frau wie sie kümmert. Das tut sie meistens. Dad sagt, er hat versucht, ihr den Tag ein bisschen zu verschönern; er hat das Geschirr gespült und Tee für alle gekocht, die nachmittags zu Besuch kamen.
    Er sagt, meine Verwandten würden mir gefallen und wir sollten diese Seite der Familie auch mal kennenlernen. Nachdem ich Tante Rachel und ihre Bande getroffen habe, würde ich das gern tun, glaube ich. Aber ich weiß, Mum würde nicht mitmachen.
    Ich erzähle Dad, dass es bei uns Roastbeef gab und dass es sehr viel besser geschmeckt hat als so ein langweiliger alter Truthahn. Plumpudding hatten wir nicht, weil den eigentlich niemand hier besonders gern mag. Stattdessen gab es einen riesigen, wunderbaren Trifle und ein großes Schokoladen-Julscheit. Dazu fällt ihm nicht viel ein, aber er sagt, er hat ein Geschenk für uns beide und ist nicht mehr dazu gekommen, es Mum zu geben, bevor wir abgefahren sind. Es wird uns gefallen, sagt er, und das Warten lohnt sich. Dann klingelt es an seiner Tür, und er sagt: »Das wird Stu sein.« Wir wünschen uns noch einmal frohe Weihnachten, und dann ist er weg. Ich schleiche mich zurück ins Wohnzimmer. Mum schläft immer noch auf dem Sofa vor dem Kamin. Ellie liegt auf dem Teppich, und als sie zu mir aufschaut, sehe ich, dass sie einen von Katys abscheulichen neuen Glücksbärchi-Haarclips im Pony hat. Sie schnauft, legt den Kopf wieder auf die Pfoten und schläft weiter. Ich an ihrer Stelle wäre auch stinkig.
    Am dritten Weihnachtstag machen wir alle zusammen

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