Am Ende eines Sommers - Roman
und wir suchen einen gescheiten jungen Mann, der bei uns von der Pike auf lernt. Fängt nächste Woche an, nicht wahr, Robert?«
Robert stellt sein leeres Glas auf den Beistelltisch. »Ganz recht, Mr Murray. Und ich muss sagen, ich kann’s kaum erwarten. Ich glaube, ich werde mich dort sehr wohlfühlen.«
Er dreht sich zu Rachel um und schenkt ihr ein so wunderschönes, offenes Lächeln, dass ich ihn am liebsten auf die Wange küssen und ihm das Haar verwuscheln würde.
Daddy sieht ihn streng an. »Ich denke, wir können jetzt, da wir zusammenarbeiten werden, zu Derek übergehen, Robert.«
Robert nickt. »Derek, jawohl.«
Einen Moment lang herrscht unbehagliches Schweigen. Mummy beendet es. »Rachel ist jetzt zwanzig. Stimmt’s, mein Schatz?«
Rachel blickt verlegen mit großen Augen zu Boden.
»Ja«, sage ich. »Am letzten Geburtstag hatte sie zwanzig Kerzen auf der Torte, nicht wahr, Rachel?«
Mummy schnalzt mit der Zunge. »Robert, wie alt sind Sie jetzt?«
Er wird rot. »Vierundzwanzig.«
»Wie reizend«, sagt Mummy.
»Jemand noch einen Schluck?«, fragt Daddy, und Rachel und ich halten ihm unsere Gläser entgegen. Daddy sieht uns missbilligend an, schenkt aber trotzdem nach. »Und wo wart ihr heute Abend, Mädels?«, fragt er.
Ich hatte gehofft, dass jemand danach fragen würde. »Im Cochran’s. Da war Party Night – oh, die Band war sagenhaft! Der Sänger sah aus wie Adam Faith. Die Mädels sind fast durchgedreht! Rachel und ich haben getanzt und getanzt, den ganzen Abend. Und wir mussten dauernd die Jungs abwimmeln, stimmt’s nicht, Rach? Übrigens hab ich gesehen, dass der nachgemachte Adam Faith dir dauernd schöne Augen gemacht hat. Wenn wir noch ein bisschen länger geblieben wären, wäre er ganz sicher runtergekommen und hätte dich zum Tanzen aufgefordert.« Wieder wird es still im Zimmer, und plötzlich finde ich alles sehr komisch. Ich nehme noch einen großen Schluck Wein, nur um mein Gesicht zu verstecken. Rachel geniert sich zu Tode. Niemand spricht, und als ich Roberts höfliches und Mummys banges Gesicht sehe, muss ich mich verziehen, bevor ich vor Lachen losbrülle und alle erschrecke.
Im Bad dreht sich alles vor meinen Augen, als ich mein schweißfeuchtes Gesicht im Spiegel sehe. Ich lasse mich auf die Klobrille plumpsen und lege den Kopf auf die Knie. Der Boden bewegt sich unter meinen Füßen hin und her. Ich höre Mummy in der Diele; sie sagt Robert, dass Rachel ihn zur Tür bringen wird, weil sie noch die Küche aufräumen muss. Daddy sagt, er will ihr helfen, und sie flüstern miteinander, als sie auf dem Weg zur Küche an der Badezimmertür vorbeikommen.
Nach ein paar Minuten strecke ich den Kopf zur Tür heraus und spähe durch den Korridor. Rachel steht sittsam auf der Türschwelle und sagt Robert gute Nacht. Er gibt ihr einen Kuss auf die Wange, und sie sieht ihm schüchtern winkend nach, als er den Weg hinuntergeht. Ich warte, bis sie die Haustür zugemacht hat, und dann stürze ich hinaus und packe sie beim Handgelenk.
»Nach oben! Sofort!«, flüstere ich. Sie sieht verärgert aus, aber sie läuft doch vor mir hinauf in unser Zimmer.
»Und?«, frage ich. »Will er mit dir ausgehen?«
»Natürlich«, sagt sie zurückhaltend.
»Und?«
»Wir gehen nächste Woche zusammen essen, wenn du es genau wissen willst. Nicht, dass du etwas dazu beigetragen hättest, mein Kind.«
Ich stehe da und starre sie an, als sie ihre Sachen auszieht und in ein formloses Flanellnachthemd steigt. »Gott, Rachel«, sage ich ein bisschen schwerzüngig. »Du bist unglaublich. Gerade noch die tanzende Hure Babylon. Und im nächsten Augenblick die verdammte Jungfrau Maria.«
Rachel will nicht lachen, aber sie muss. »Hau ab, Mary. Bloß weil ich weiß, wie viel Alkohol ich vertrage, brauchst du noch lange nicht biestig zu werden.«
»Ich werde ja gar nicht biestig. Nach deiner Vorstellung bei Robert heute Abend habe sogar ich geglaubt, dass du noch Jungfrau bist. Ich bin nur sehr, sehr beeindruckt, das ist alles.«
Rachel lächelt zufrieden und schaut zur Decke, als ich ins Bett klettere. Wir liegen schweigend da und lauschen den Geräuschen von Mummy und Daddy, die sich in ihr Schlafzimmer zurückziehen.
»Aber er ist ziemlich süß, oder?«, fragt Rachel und zieht an der Lampenstrippe, die zwischen unseren Betten hängt.
»Er ist klasse«, sage ich.
»Dann halt jetzt die Klappe und schlaf«, flüstert sie, aber das Lächeln ist noch in ihrer Stimme.
»Hab dich lieb, Rach«,
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