Am Ende eines Sommers - Roman
sage ich und wickle Matthew aus seiner Decke.
»Hmmph«, antwortet sie.
»Hast du gekocht?«, frage ich.
Sie gibt keine Antwort. Aber ich sehe keine Töpfe und Pfannen, nur das Brotschneidebrett und das Messer daneben.
»Oder hast du ein Sandwich gegessen?«
Keine Antwort.
»Es war hoffentlich nur ein Sandwich, denn dann ist es ja nicht schlimm, oder?«
Jean wirf mir einen empörten Blick zu und lässt schaumiges Spülwasser ins Becken laufen. »Na ja. Ich werde dann spülen«, sagt sie knapp und wendet mir den Rücken zu.
Ich stelle den Kinderwagen hinterm Haus ab und trage Matthew hinauf in unser Schlafzimmer an der Rückseite des Hauses. Es ist ungefähr drei Uhr; Billy wird in gut zwei Stunden nach Hause kommen. Ich schüttle die Kissen auf und setze mich auf das Bett, um Matthew zu stillen. Das kann ich unten nicht tun, weil Jean es eklig findet. Er ist ein gutes Baby; er trinkt aus jeder Brust und schläft dann leise schnarchend ein. Seine Wangen sind glatt und weich neben dem dunklen Rosa meiner Brustwarze. Ich frage mich, wie es wäre, so tief zu schlafen, ohne Ablenkungen und Ängste, die den Frieden stören. Ich kann mich nicht erinnern, dass es einmal so war. Selbst die Erinnerungen an meine Kindheit erscheinen mir jetzt wie eine Rückwärtsverlängerung des Erwachsenseins. Ich lege den sanft schnarchenden Matthew neben mich auf das Bett und greife nach meinem Buch, Sargassomeer . Schon bald werden meine Lider schwer, und ich schlafe ein und träume, wie Rachel und ich an der Strandpromenade von Hove mit flatternden Haarschleifen durch den Wind laufen.
Billy kommt herein und weckt uns, und Matthew fängt an zu schreien. Billy lässt Brieftasche und Schlüssel auf die Fensterbank fallen.
»Billy!«, sage ich erschrocken. Ich schwinge die Beine vom Bett, um ihn zu begrüßen.
Sein Haar reicht bis über die Schultern, und in den lockigen Enden schimmert immer noch der goldene Glanz des Sommers.
»Wie war’s auf der Arbeit?«
Matthew schreit lauter. Er schlägt mit Händen und Füßen auf das Bett und wird puterrot im Gesicht.
»Gut«, sagt Billy. »Ich hab eben Mum gesprochen. Was ist los?« Sein Blick ist stahlhart.
»Nichts ist los.« Ich will ihm einen Kuss geben.
Er schiebt mich sanft zurück. »Sie sagt, du spielst die Madame.«
»Ich war spazieren!«, rufe ich und nehme Matthew auf den Arm, um ihn zu beruhigen. »Sie hat mich angeraunzt, weil ich zum Lunch nicht nach Hause gekommen bin. Sorry, ich meine, zum Mittagessen . Das übrigens aus einem Sandwich bestand.«
Billy funkelt mich an. »Ich kann nicht mit dir reden, wenn du so bist. Ich gehe ein Bier trinken.«
Matthew hat aufgehört zu schreien und schmiegt rot und schnaufend das Gesicht an meinen Hals. Ich setze mich auf die Bettkante und winke Billy mit einer Kopfbewegung zu mir.
»Billy. Wie lange müssen wir noch hierbleiben? Jean kann mich nicht ausstehen. Und wir brauchen Platz für uns.« Ich schaue auf Matthew in meinem Arm hinunter. »Er wird bald ein eigenes Zimmer brauchen. Mit einem Baby im Zimmer ist es nachts nicht das Gleiche.«
Billy setzt sich zu mir und nimmt meine Hand. Wir blicken zum Fenster. Dahinter liegt der graue Garten, und dann kommen Reihenhäuser in endlosen Kolonnen. Die Nächte werden jetzt länger, und der Himmel färbt sich schon grau.
»Sechs Monate«, sagt er. »Warte noch sechs Monate, dann haben wir genug, um uns was Eigenes zu suchen. Ich verdiene hier nicht so viel wie in London, aber wir werden es schaffen, Schatz.«
Ich lege den Kopf auf seine Schulter, und sein starker Arm schiebt sich um mich und zieht mich heran.
»Wir sind eine Familie, Mary. Du, ich und Matthew.« Er streichelt Matthews Wange, die an meiner Brust liegt. »Aber für die nächsten paar Monate gehört Mum auch dazu. Ohne sie kommen wir nicht zurecht.«
Ich nicke und küsse den flaumigen Kopf meines Babys. »Ich weiß.«
Billy liebkost sanft meine Wange und stützt meinen müden Kopf mit seiner breiten Hand. Er küsst mich auf den Mund, in einer innigen, muskulösen Umarmung. Mein Herz kribbelt wie bei unserer ersten Begegnung. Zwischen uns quäkt Matthew.
Billy nimmt seine Brieftasche und bleibt in der Tür kurz stehen. »Ich bin vor dem Essen zurück«, sagt er, und die Schlafzimmertür schließt sich hinter ihm.
Jake,
Februar 1985
Seit den Weihnachtsferien arbeite ich als Aushilfe bei Mr Horrocks. Im Laden darf ich es erst, wenn ich vierzehn bin, aber er lässt mich samstags, wenn er geschlossen hat, die
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