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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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an, ich hebe den Kopf, und kurz fällt mein Blick auf sie, da unten. Die Haare da sind hellbraun und fein, ganz anders als ihre zurückgekämmten Horror-Haare.
    »Fass schon an«, sagt sie, trinkt noch einen großen Schluck Bier und wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. »Sie beißt nicht.«
    Ich streichle über die Haare da unten, als wären sie ein Tier. Sie sind weich, aber zugleich auch rau. Ein bisschen wie bei einem Meerschweinchen oder so.
    »Hast du einen Freund?«, frage ich sie.
    »Mach weiter, du Trottel.« Sie drängt sich an meine Hand.
    Ich kippe noch einen Schluck Bier herunter. In meinem Kopf dreht es sich ein bisschen, und ich mache weiter mit meinen Streichelbewegungen, wie sie es haben will. Aber da richtet Shona sich schnaubend auf, packt meine Hand und führt meinen Finger hinein, ganz in sie hinein, schiebt ihn gegen den Widerstand der Haut, bis er auf eine Wand aus Feuchtigkeit stößt, so unerträglich weich und glatt, dass ich mich plötzlich frage, wie es sich wohl anfühlen würde, auf sie und hineinzusteigen, ganz in sie hinein, bis von mir nichts mehr da ist. Komplett weg. Ich erstarre und weiß nicht, was ich machen soll, und dann wird mir klar, dass ich vor ihr knie, bewegungslos wie der kleine holländische Junge mit dem Finger im Deich.
    »Das reicht«, sagt sie und stößt mich weg.
    Wir sind wieder im Musikzimmer, als Sandy von unten heraufruft: »Kinder! Kommt herunter! Es ist fünf vor zwölf – wir wollen euch alle hier unten haben!«
    Shona sieht mich an und verzieht den Mund. »Du kannst ja gehen, wenn du willst, aber ich bleibe hier. Ich muss kotzen, wenn ich dieses Auld-Lang-Syne-Gesinge höre. Ja, vielleicht rauche ich eine.«
    Andy streckt den Kopf herein und winkt mich aufgeregt nach unten. Alle anderen Kids stehen auf, schlendern hinaus und versuchen, total cool auszusehen. Ich werfe noch einen Blick zurück, ob Shona es sich vielleicht anders überlegt hat, aber sie sieht mich nicht an.
    Unten ist es total hektisch. Männer und Frauen wimmeln durcheinander und suchen sich gegenseitig, und kleine Kinder schreien nach ihren Mums und Dads. Ich und Andy sehen uns nach unserer eigenen Mum um. Ich möchte es mir nicht anmerken lassen, aber ich will sie wirklich finden. Eigentlich Andy zuliebe. Die Küche ist jetzt leer; alle drängen sich in ihren kleinen Grüppchen im Wohnzimmer. Mum war vorhin auch im Wohnzimmer, aber jetzt ist sie da nicht mehr. Wenn ich Stu finden könnte, würde ich ihn fragen, ob er sie gesehen hat.
    Andy ist draußen im Garten und schreit: »Mum! Mum! Es ist gleich so weit!«
    Ich laufe nach oben und schaue in alle Zimmer, sogar in Sandys und Petes, aber sie sind alle leer. Auch das Musikzimmer, wo Shona war, ist jetzt leer. Ich treffe Andy unten an der Treppe in der Diele, und er schüttelt den Kopf. Wir haben überall gesucht.
    Wir stehen in der Wohnzimmertür, als Sandy die Musik leiser dreht und mit den Händen wedelt, damit alle sich beruhigen.
    »Alle zusammen! FÜNF ! VIER ! DREI ! ZWEI ! EINS !« Eine Explosion von Knallbonbons und Tröten und Luftschlangen lässt das Zimmer wackeln, und alle küssen und umarmen sich und springen auf und ab und lachen.

 
    Mary,
    Februar 1968
    Rachel habe ich nicht mehr gesehen, seit ich meine restlichen Sachen zu Hause abgeholt habe. An diesem letzten Nachmittag hatte Mummy sich ins Bett gelegt, und Daddy war in einer Besprechung mit einem Klienten. Pulsierende Leere erfüllte das Haus. Mein Achtmonatsbauch wölbte sich trotzig unter Billys Aran-Pullover – dem einzigen Kleidungsstück, das mir noch passte. Rachel ging mit mir in unserem Zimmer herum und reichte mir Sachen zum Einpacken. Als sie nach Worten suchte, war es, als wäre ich die ältere Schwester. Am Bahnhof von Brighton umarmte sie mich und dann Billy, bevor wir auf den Gleisen in Richtung Portsmouth verschwanden.
    Jetzt warte ich bei der Schaukel und ruckele den Kinderwagen, damit Matthew nicht wach wird. Die freundliche Morgensonne taut meinen eisigen Atem auf. Ich entdecke Rachel am anderen Ende des Parks, eine gertenschlanke Gestalt mit rotem Hut und Handschuhen, die den weiten Rasen betritt. Sie sieht sich um, bevor sie zielstrebig auf den Spielplatz zumarschiert, wo ich warte. Auf halbem Weg, mitten auf dem Rasen, sieht sie mich. Sie hebt die behandschuhten Hände und fängt an zu laufen. Ich lasse den Kinderwagen stehen und renne ihr entgegen, und sie umschließt mich mit ihrer vertrauten Umarmung. »Du hast mir gefehlt!«, ruft

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