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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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Gesicht und auf den Kopf des Babys.
    Billy springt auf. »Du hängst da jetzt seit zwanzig Minuten. Länger. Ich hole jemanden.«
    Zielstrebig läuft er hinaus, und ich bin allein mit meinem Baby. Ich huste, und ein Schwall von heißem Blut schießt aus mir heraus, sammelt sich um meinen Hintern und sickert mir ins Kreuz.
    Als ich zu dem Licht hinüberblicke, das seine Finger durch die Jalousien schiebt, sehe ich das kleine Mädchen. Sie ist ungefähr neun Jahre alt, und ihr Haar ist flüsterzart gelockt und hat den dunklen Kastanienglanz der Kindheit. Sie möchte herüberkommen, aber sie ist schüchtern. Ein rotes Band, das in ihr Haar gehört, dreht sich zwischen ihren Fingern. Sie hat das blaue Hängerchen an, das gute.
    »Möchtest du das Baby sehen?«, frage ich leise, damit niemand auf dem Flur mich hört.
    Sie nickt und kommt um das Metallbett herum auf die andere Seite, wo sie auf Billys Stuhl klettern kann, damit sie besser sieht.
    »Wie heißt er?«, fragt sie.
    »Jake. Gefällt dir das?«
    Sie lächelt.
    »Ich finde, er sieht ein bisschen aus wie du. Findest du nicht auch?«
    Sie antwortet nicht, aber sie beugt sich vor und streicht über Jakes weiche Stirn. Er hat immer noch Blut an den Wangen, aber das scheint ihr nichts auszumachen. Sie streicht sich das Haar hinter die Ohren, und die Bewegung kommt mir vertraut vor.
    »Ich werde ihn jetzt stillen«, sage ich, und zum ersten Mal lege ich Jake an die Brust. Er fängt sofort an zu saugen.
    Das Mädchen lächelt wieder. »Warum bin ich hier?«, fragt sie, und ein kleines Fragezeichen schwebt zwischen ihren Brauen.
    »Tja, vermutlich machst du so etwas eben«, sage ich und schließe die Augen. Ich fange an wegzudämmern.
    »Wo ist dein anderer kleiner Junge?«, fragt sie. »Matthew?«
    »Oh, Matthew. Natürlich. Der ist bei seiner Nanna.«
    »Ist das deine Mummy?« Sie legt den Kopf zur Seite, als rede sie mit einem Kind.
    »Nein. Nein. Das ist Billys Mummy. Nicht meine.« Ich öffne die Augen, und sie ist immer noch da. Die Sonne glänzt auf ihrem Haar. »Nicht meine Mummy.«
    Sie nimmt meine Hand und drückt sie. »Du blutest. Tut das weh?«
    »Nein. Sieht schlimmer aus, als es sich anfühlt.« Ich möchte sie an mich ziehen, aber ich kann die Arme kaum heben.
    »Ich hole jemanden«, sagt das kleine Mädchen. »Du bist ganz grau geworden.« Sie springt vom Stuhl und tappt auf bloßen Füßen in den Flur hinaus.
    »Komm zurück!«, rufe ich ihr nach. »Wo bist du?«
    Billy stürzt herein, und dann ist das Zimmer voll von Hebammen und Ärzten, aber die Geräusche sind gedämpft, und ich sehe sie alle in Streifen aus Licht und Grau. Ich fühle die Hand des Mädchens in meiner, und sie drückt sie sanft, als das Licht vollends ausgeht.
    »Komm wieder«, flüstere ich, dann ist sie weg.

 
    Jake,
    März 1985
    An einem unserer Tage mit Dad gehen wir zu Granddads Grab. Heute hätte er Geburtstag, und wir müssen ihm unsere Ehre erweisen. Das tun wir nicht jedes Jahr – nur, wenn Dad es möchte. Früher ist Mum immer mitgekommen.
    »Müssen wir Gran abholen?«, fragt Andy und knufft mich vom Rücksitz aus.
    »Nein. Einer von euren Onkeln wird vermutlich allein mit ihr hinfahren.«
    »Oh«, sagt Andy. Dann flüstert er: »Hammer!«, und ich schicke ihm über die Kopfstütze hinweg den bösen Blick.
    Auf dem Friedhof braucht Dad eine Weile, um den Grabstein zu finden. »Ich bin sicher, er ist irgendwo hier auf dieser Seite«, brummt er und steigt durch wucherndes Gras und Unkraut.
    »Ob sie ihn verlegt haben?«, fragt Andy.
    »Idiot. Er ist begraben. Die werden ihn ja nicht einfach ausgraben und verlegen, oder? Idiot.« Ich starre ihn finster an, und Andy schnalzt und schiebt die Hände tiefer in die Hosentaschen.
    »Ein bisschen mehr Respekt, Jungs«, sagt Dad und runzelt konzentriert die Stirn.
    Endlich finden wir den Stein. An den Kanten wächst Moos und kriecht auf die eingemeißelten Worte zu. Dad reißt Löwenzahn und Gras aus, und bald sieht alles viel ordentlicher aus.
    »Soll ja kein Misthaufen sein, wenn eure Gran kommt«, sagt er.
    Andy streicht mit dem Finger über die Buchstaben von Granddads Namen. Arthur John Andrews. »Dann war er noch ziemlich jung, als er gestorben ist?«
    »Yep. Ich war noch ein Junge.«
    »War er hier in der Gegend geboren?«, frage ich.
    »In Southsea. Geboren und aufgewachsen.« Dad sieht stolz aus. »Seht ihr das Gebäude auf der anderen Straßenseite? Das war seine Schule. Er war einer der ersten Schüler da, und als wir

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