Am Ende eines Sommers - Roman
alt genug für die Schule waren, sind wir auch dort hingegangen. Natürlich ist es heute keine Schule mehr. Eher ein vornehmes Wohnhaus.«
Das Klinkergebäude gegenüber vom Friedhof ist von einer niedrigen Steinmauer umgeben, man sieht den großen Garten, der sich dahinter erstreckt. An den Grundstücksrändern stehen riesige Bäume, und einer hat gerade angefangen zu blühen. Überall leuchtet Löwenzahn, und ich stelle mir vor, wie Dad und Granddad im Sommer hier herumgerannt sind. Alles ist viel kleiner als meine alte Grundschule. Ich glaube, hier hätte es mir gefallen.
»Es ist traurig, dass er gestorben ist«, sagt Andy. »Ich wünschte, wir hätten ihn noch kennenlernen können.«
»Ich auch, Sohnemann«, sagt Dad. »Ich glaube, er war ein ziemliches Energiebündel, mein alter Herr.«
Als wir das Friedhofstor hinter uns zumachen, sehe ich Stu und Malcolm auf der anderen Straßenseite. Malc sieht uns auch und macht seinen Dad auf uns aufmerksam.
»Bill! Was macht ihr denn hier? Ist doch gar nicht eure Gegend, oder?« Mit Malcolm im Schlepptau kommt Stu über die Straße.
»Waren am Grab von meinem Dad. Und ihr?«
»Musste Malc holen. Der Wagen seiner Mum ist im Eimer, und da hab ich gesagt, ich hole ihn ab.« Er schaut auf die Uhr und reibt sich die rötlich-blonden Bartstoppeln. »Oh, sieh doch, wie die Zeit vergeht. Ich muss sagen, ich bin ein wenig durstig, mein Freund. Was meinst du?«
Dad sieht grinsend auf seine Uhr und macht ein vornehmes Gesicht. »Hmm. Ein Blick auf dieses prachtvolle Erzeugnis digitaler Technik verrät mir, dass es elf Uhr achtundfünfzig ist. Eine Erfrischung in Form eines Humpens Ale käme mir sehr entgegen, Sir. The Anchor?«
»Warum nicht, guter Mann? Da es nun mal in der Nähe liegt.«
Im Pub klopft Dad mir auf den Rücken, bevor er an die Bar geht. »Jake, wenn wir unser Pint getrunken haben, kaufen wir ein paar Chips. Wollt ihr Jungs nicht rausgehen und am Teich spielen? Als ich klein war, gab’s da eine Reifenschaukel.«
Alle drei hopsen wir über den Zaun am Ende des Pub-Gartens und auf die Wiese mit dem Teich. Eine große Trauerweide hängt auf der einen Seite über dem Wasser, und ein Floß aus alten Paletten treibt am anderen Ufer. Ein paar Enten mit ihren Jungen dümpeln zwischen Schilfrohr und Binsen herum, wo die Sonne auf den kleinen Wellen funkelt. An einem der unteren Äste hängt ein Autoreifen, wie Dad gesagt hat, und Andy rennt hin, um ihn zu kapern.
Malc und ich setzen uns auf die Bank am anderen Ufer und schmeißen kleine Steine ins Wasser.
»Irre, was? Euch einfach so über den Weg zu laufen«, sagt Malc. »Wusste nicht, dass ihr je hierherkommt.«
»Ja. Meine Gran wohnt in Southsea. Aber wir achten drauf, dass wir sie nicht allzu oft sehen. Sie ist ’ne alte Kuh. Schade, dass es mein Granddad war, der gestorben ist.«
»Meine Nan ist okay. Sie wohnt ganz weit weg, deshalb sehen wir sie auch nicht oft. Aber sie ist nett. Backt guten Kuchen und so Zeugs.« Malc wirft einen dickeren Stein ins Wasser, und die Wellen tanzen bis hinüber auf die andere Seite.
»Dann bleibst du heute Abend bei deinem Dad?«, frage ich.
»Ja. Ehrlich gesagt, es ist ein bisschen langweilig. Er macht nie viel, wenn ich komme. Pub, Park, Fernsehen, weißt du? So Sachen.«
»Was machst du denn gern?«
»Ich fahr gern ein bisschen Fahrrad. Und hör Musik. Ich hätte gern eine Midi-Anlage, und ab und zu mach ich bei Dad so ’ne Andeutung. Bei Mum auch. Einer von beiden wird mir wahrscheinlich eine schenken.«
»Oh. Ja. Ich stehe sehr auf Musik, und ich spare auch für eine Midi-Anlage. Im Mai hab ich Geburtstag, und wenn ich weiter Zeitungen austrage, dürfte ich genug zusammenkriegen.«
»Du hast einen Job? Verflucht, meine Mum erlaubt mir so was nicht. Sie meint, ich könnte entführt werden oder so was.«
»Wer würde dich denn entführen?« Ich lache. Malcolm lacht auch.
»Hast du Musikzeitschriften?«, fragt er. » Smash Hits oder so?«
»Ja. Mein Cousin hat mir einen Haufen alte NME geschenkt, als ich drüben war. Er hat eine erstklassige Plattensammlung.«
»Ich könnte mit zu euch kommen und mir deine Zeitschriften ansehen, oder? Ich meine, wenn sie ihr Bier getrunken haben?«
Auf der anderen Seite des Teiches hat Andy die Beine in den Reifen gehakt, hängt kopfüber herunter und lässt Kopf und Arme baumeln. Seine Haare sehen aus, als hätte er einen Stromschlag abgekriegt.
»Nee. Meine Mum erwartet uns erst spät, und sie würde sauer, weil sie heute
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